Shitstorm: Gegenwind aus dem Netz
Soziale Netzwerke im Internet haben die Kommunikation zwischen Firmen, Kunden und Bewerbern für immer verändert. Bisher funktionierten die klassischen Kanäle für Werbung bisher als Einbahnstrasse. Auf Facebook, Twitter oder Google+ und Co. müssen Firmen heute jedoch mit Gegenverkehr rechnen. Stichwort: Shitstorm.
Von Tatjana Krieger
Der Adressat hat eine Stimme, die er nicht nur nutzt, brav auf “Gefällt mir“, “Teilen“ oder “Retweet“ zu klicken. Stattdessen beschwert er sich selbstbewusst, wenn er auf seine Bewerbung keine Antwort bekommt oder die Arbeitsbedingungen mies findet. Trifft er damit den Nerv der Netzgemeinde und steigen andere Nutzer in die Diskussion ein, womöglich zu Tausenden, spricht man von einem Shitstorm. Gepflegt ausgedrückt ist ein Shitstorm ein Sturm der Entrüstung, etwas derber: ein Eimer Unrat, der sich mit Wut, Spott und Beleidigungen über das Unternehmen ergiesst und das Unternehmensimage unter sich begräbt.
Die Ursache der Entrüstung
“Shitstorms entstehen dort, wo Firmen Fehler machen“, erklärt David Eicher, Geschäftsführer der Webguerillas GmbH in München. Doch kann das verhindert werden? Werke werden bei wirtschaftlicher Schieflage geschlossen, Mitarbeiter entlassen, Fehler in Produktion und Kundendienst passieren. Nicht alles kann das Marketing schönreden. Telefonanbieter Vodafone erwischte es, nachdem sich eine Kundin auf der Facebook-Seite über den Service geärgert hatte, Siemens musste auf seiner Haushaltsgeräte-Seite eine Debatte über Atomkraft aushalten, Zalando war nach einer Fernsehreportage betroffen.
Die Gründe für einen Shitstorm müssen nicht einmal unmittelbar mit dem Unternehmen zu tun haben. Mit Wucht fegte Anfang 2012 ein Sturm über die ING-DiBa hinweg. In einem TV-Spot der Bank bekam Basketballer Dirk Nowitzki in einer Metzgerei ein Stück Wurst geschenkt. Daraufhin lieferten sich Vegetarier und Fleischesser tagelang Debatten auf der Fanseite. Die Bank entschied sich, die Auseinandersetzung zu erlauben. “Wir wollten damit unsere Unternehmenswerte Fairness und Toleranz einem breiten Publikum vor Augen zu führen“, sagt der für Social Media zuständige Sprecher André Kauselmann. Bei den Menschen und Medien ist diese Offenheit gut angekommen, das Image der Bank hat keine Kratzer abbekommen.
Social Media Management: Was zulassen und wann eingreifen?
Das muss nicht immer so sein. Ob die Arbeitgebermarke leidet, hängt vor allem von zwei Fragen ab: Wie eng ist das Thema mit dem Unternehmen verknüpft? Und schafft der Social Storm den Sprung in die Blogs und in Google? Entscheidend ist dabei die Rolle der Massenmedien: Greifen Sie das Thema auf und treten es breit, bleibt es auf Jahre in den Suchmaschinen erhalten. Begrenzt sich die Empörung auf Facebook, ist später nur wenig auffindbar. “Das Gedächtnis des Einzelnen ist begrenzt, aber Google vergisst nicht“, fasst der Münchner Social-Media-Berater Klaus Eck zusammen.
Die Kunst besteht darin, einen Shitstorm früh zu erkennen. David Eicher und Klaus Eck empfehlen in der Krise eine schnelle Eingreiftruppe, welche die Social-Media-Plattformen rund um die Uhr betreut. Denn die Unternehmensbeteiligung bestimmt den Verlauf der Diskussion. “Ab einem Anteil von zehn Prozent Firmenpostings verschiebt sich die Wahrnehmung positiv“, so Eicher. Zudem sollte man bei Beschwerden den Kontakt ausserhalb von Social Media vorschlagen: auf den Kundendienst verweisen oder an eine eigens für Krisenfälle eingerichtete Mailadresse. “So bekommt man das Thema raus aus dem öffentlichen Raum“, sagt Eicher.
Die Kontrolle behalten
Um die Kontrolle über die Postings zu behalten, ist es ausserdem wichtig, eine Netikette zu entwerfen – und zwar bevor die Empörungswelle anrollt. “Darin weist man darauf hin, dass Beiträge, die nicht konform gehen, gelöscht werden“, so Klaus Eck. Sofern die Spielregeln vorher eindeutig sind, akzeptiert die Netzgemeinde das Löschen einzelner Beiträge normalerweise. Personen, die auf Krawall gebürstet und nicht an einer sachlichen Diskussion interessiert sind, lassen sich auf Facebook blockieren. Wem das zu sehr nach Zensur klingt, antwortet Eck, man müsse seine Mitarbeiter vor Angriffen schützen. Der Betreiber einer Facebook-Seite hat dort das Hausrecht.
Allerdings sollte man mit Fingerspitzengefühl davon Gebrauch machen. Präventiv rät Eck ausserdem dazu, die Moderatoren jeder Social-Media-Seite persönlich und mit Foto vorzustellen. “Menschen mögen Menschen“, sagt er, “Echte Personen wirken wie Schutzschilde gegen Beleidigungen.“
Was kommt nach der Welle der Entrüstung?
Nach dem Shitstorm sind je nach Windstärke erst einmal Aufräumarbeiten angesagt, damit das Image keinen nachhaltigen Schaden nimmt: Dazu gehört unbedingt eine Entschuldigung bei Fehlverhalten des Unternehmens. Später sollte man seine Fans und Follower darüber informieren, was die Firma nach dem den Shitstorm auslösenden Ereignis verbessert hat.
Parallel dazu nutzt man sein Social-Media-Marketing dafür, seine Reputation behutsam wieder aufzubauen: indem man Themen in den Mittelpunkt rückt, bei denen das eigene Unternehmen besser aufgestellt ist. Manchmal muss man den Social-Media-Sturm ohnehin einfach aussitzen, erklärt Webguerillas-Chef Eicher. “Twitteraktivitäten dauern ein bis zwei Tage, auf Facebook ist es nach einer Woche wieder vorbei.“