Mitarbeiter motivieren

Über kaum ein anderes Thema wird so häufig kontrovers diskutiert: Motivation. Gerade in wirtschaftlich schlechten Zeiten ein “heißes Pflaster”. Managementberater Gunther Wolf gibt Tipps.

Der Wissenschaftler steht vor dem Problem, Motivation in Art und Ausprägung nicht ausreichend sicher bestimmen und messen zu können. Führungskräfte oder Praktiker aus dem Personalmanagement interessiert heute hingegen vor allem, ob und was sie tun können. Wie fördere ich Motivation in turbulenten Zeiten? Wie kann ich meine Mitarbeiter als Mitkämpfer und Mitdenker zur Bewältigung der Krise gewinnen?

Jobangst als Motivation?

Der Auftragseingang bleibt weit hinter der Planung zurück, die Produktion wird zurückgefahren, die finanzielle Lage ist bedrohlich. Führungskräfte stehen in krisenhaften Zeiten enorm unter Druck: Ständig müssen in kürzester Zeit Entscheidungen getroffen und schnell umgesetzt werden. Immer wieder tauchen neue Herausforderungen auf, die gemanagt werden müssen. In solchen Situationen innezuhalten und sich der Führung der Mitarbeiter zu widmen, fällt fast allen Führungskräften schwer. Mancher erwartet von den Mitarbeitern, dass sie den Ernst der Lage erkennen und automatisch “alles geben”.

Doch es ist ein Irrglaube, dass der Wunsch nach Erhaltung des Arbeitsplatzes bei jedem Menschen ausreichend Motivation erzeugt, um sämtliche Leistungsreserven freizusetzen. So ist der Krankenstand im ersten Halbjahr 2009 gestiegen, wobei Fehlzeiten aufgrund psychischer Erkrankungen stark zugenommen haben. Mit diesen sind in der Regel lange Ausfallzeiten verbunden, im Durchschnitt rund 23 Arbeitstage. Jobangst verursacht häufig eher Krankheit als Motivation. Denn bei den Mitarbeitern steht vor allem die Frage im Vordergrund, ob und wie es künftig weitergehen kann. Häufig verfügen sie nicht über ausreichende Informationen, um einschätzen zu können, ob Kurzarbeit, Kündigungen oder gar die Insolvenz drohen.

Offenheit pflegen

Gehen Sie daher offen und ehrlich mit der Situation um. Manche Führungskräfte glauben, mit seidigen Worten Optimismus verbreiten zu müssen. Andere malen besonders schwarz, um der Belegschaft Zugeständnisse abzuringen. Beides kommt nicht nur bei ängstlichen Mitarbeitern schlecht an. Wenn man seinem Chef nicht mehr glauben und dessen Worten nicht mehr vertrauen kann, fällt es schwer, motiviert seine Aufgaben in Angriff zu nehmen.

Wenn die Belegschaft darauf angewiesen ist, wahre und angeblich wahre Informationen über den Flurfunk zu beziehen, werden diese informellen Kommunikationsprozesse nicht nur wertvolle Arbeitszeit verbrauchen und die Arbeitseffizienz nahezu zwangsläufig sinken lassen. Es eröffnen sich auch Wege für die Ausbreitung schädlicher Gerüchte, die erfahrungsgemäß immer noch ein gutes Stück schlimmer sind als die Wahrheit.

Führungs-Kraft zeigen

Lassen Sie Ihre Mitarbeiter mit diesen Informationen nicht allein. Zeigen Sie auf, welche Maßnahmen Sie bereits ergriffen haben und welche Sie noch umzusetzen planen. Wenn Sie Ihre Mitarbeiter davon überzeugen können, dass diese Aktivitäten dazu beitragen, die Krisenauswirkungen zu mildern oder sogar positive Effekte aus der Krise zu ziehen, legen Sie ein gutes Fundament für hohe Leistungsbereitschaft. Verschweigen Sie keinesfalls, dass Sie Entscheidungen treffen mussten, die für einige oder alle Mitarbeiter negative Auswirkungen hatten.

Schieben Sie nicht die Bank, Gesellschafter oder Ihren Chef vor: Mitarbeiter stellen sich eher hinter eine Führungskraft, die unliebsame Entscheidungen trifft als hinter einen Manager, der wie ein Spielball von nicht einschätzbaren anderen Mächten zu möglicherweise ständig wechselnden Verhaltensweisen gezwungen wird.

Klare Wege nennen

Richten Sie den Blick Ihrer Mitarbeiter auf das Ende des Tunnels. Greifen Sie zu diesem Zweck auf Beispiele anderer Firmen oder aus der Vergangenheit zurück. Langjährige Mitarbeiter werden Sie dabei unterstützen. Wenn Sie Ihren Mitarbeitern glaubhaft aufzeigen konnten, dass auch die derzeitige Situation überstanden oder bewältigt werden kann, sollten Sie transportieren, wie dies geschehen soll.

Beiträge einfordern

Im Zweiergespräch, das in solchen Zeiten etwas kürzer ausfallen darf, legen Sie mit Ihren Mitarbeitern fest, auf welche Ziele er hinarbeiten soll. Damit die erforderlichen Wege zu diesen Zielen verlässlich eingehalten werden, erstellen Sie mit jedem Mitarbeiter Konkrete Aktions-Pläne (KAP) mit allen zu ergreifenden Maßnahmen und kontrollierbaren Meilensteinen. Lassen Sie den Mitarbeiter im Vorfeld des Gesprächs die aus seiner Sicht denkbaren Vorschläge ausarbeiten, das verkürzt die aufzuwendende Zeit und schafft Commitment.

Konsequenzen festlegen und einhalten

Meilensteine sind Ihre “Kontrollpunkte”. Legen Sie fest, wann Sie prüfen werden, ob sich der Mitarbeiter noch auf dem richtigen Weg befindet und ob er sich mit der erforderlichen Geschwindigkeit bewegt. Kündigen Sie im Vorfeld an, was Sie tun werden, wenn dies nicht der Fall ist. Keine leeren Drohungen! Diese sind in Krisenzeiten besonders gefährlich für Sie und Ihre Glaubwürdigkeit.

Kündigen Sie daher nur an, was Sie auch einzuhalten bereit sind, und halten Sie es konsequent ein. Üblicherweise findet sich in jedem Team ein Freiwilliger, der Sie daraufhin zu testen bereit ist. Wenn dieser die Konsequenzen wie angekündigt erlebt, haben er selbst und die anderen Mitarbeiter künftig ausreichend Grund und Legitimation zu “Strebertum” – also dazu, ihre Leistung voll auf die vereinbarten Ziele und konkreten Aktionen zu richten.

Den aufgeben, der aufgibt

Möglicherweise werden einzelne Mitarbeiter andere in der Entfaltung ihrer Leistung hemmen. “Warum tust Du das”, richten sich solche Personen üblicherweise an die engagierten Mitarbeiter, “das hat doch alles ohnehin keinen Zweck mehr!” Wenn Sie diesem Verhalten gewahr werden, müssen Sie ohne zu zögern reagieren. Bitten Sie den betreffenden Mitarbeiter sofort zum Gespräch. Geben Sie ihm noch ein letztes Mal die Chance, sich auszujammern.

Oftmals wirkt dies befreiend und Sie können die individuelle Veränderung einläuten. Dazu sollten Sie klar stellen, dass es in der derzeitigen Situation für jeden Einzelnen nur zwei Wege gibt: “Change it or leave it.” Fragen Sie nach, ob er lieber bei der Verschlechterung der Situation zusehen oder zur Verbesserung beitragen möchte. Fragen Sie gegebenenfalls auch, ob er gern verliert – denn “wer nicht kämpft, hat schon verloren”. Vereinbaren Sie in jedem Falle mit dem betreffenden Mitarbeiter die von Ihnen gewünschten und erforderlichen Verhaltensweisen und Leistungen. Sagen Sie ihm, welche Konsequenzen Sie ergreifen werden, wenn dies nicht erfolgt und halten Sie diese unbedingt ein.

Präsenz zeigen

In Krisensituationen füllen sich die Terminkalender der Führungskräfte schnell. Gesellschafter verlangen zusätzliche Reports, Finanzgeber weitere Ausarbeitungen, Banken aktualisierte Planzahlen. Auch langjährige Geschäftspartner treten, oftmals bedingt durch deren eigene Situation, nervöser auf als gewohnt. Möglicherweise kommen Presse- und Medienvertreter auf das Unternehmen zu und fordern Statements ab.

Trotz alledem müssen gerade Unternehmensführung und Bereichsleitungen häufiger als sonst raus aus ihren Zimmern. Suchen Sie das Gespräch mit jedem Ihrer Mitarbeiter. Bleiben Sie ernst, aber positiv. Vermeiden Sie Belanglosigkeiten, sprechen Sie nicht mit gespielter Lockerheit über Fußballergebnisse. Sondern fragen Sie beispielsweise, wie es ihm geht, wie die Arbeit klappt und ob er im Hinblick auf die angestrebten Arbeitsergebnisse vorankommt.

Haltung wahren

Für Mitarbeiter gibt es kaum etwas Schlimmeres, als ihren Chef verzweifeln oder scheitern zu sehen. Negatives werden Sie sicher derzeit genug zu berichten haben, doch sollten Sie fehlgeschlagene Versuche zur Verbesserung der Situation nicht mit Ihren Mitarbeitern teilen. Vermeiden Sie, über diejenigen Ihrer Aktivitäten zu sprechen, deren Ergebnisse noch unsicher sind.

Achten Sie jetzt besonders auf Ihre Außenwirkung. Ernstes, konzentriertes, bestimmtes und starkes Auftreten ist eher angebracht als lustiges einerseits oder trauriges andererseits. Wenn Sie die “offene Türe” als Teil der Unternehmenskultur betrachten und Ihre Mitarbeiter Sie sehen können, wie Sie über Zahlenkolonnen brüten und dabei – wenn auch nur aus Anstrengung – die Haare raufen, könnte dies als Verzweiflung über die Unternehmensaussichten interpretiert werden. Machen Sie notfalls die Türe daher vielleicht doch das eine oder andere Mal zu.

Erfolge teilen

Auch wenn es nur kleine oder Teilerfolge sind: Kommunizieren Sie diese sofort an die Belegschaft. Das bestärkt die Mitarbeiter in der Überzeugung, dass das Unternehmen auf dem richtigen Weg ist.

Leistungen belohnen

Streichen Sie nicht die leistungs- und erfolgsorientierten Incentives gänzlich, auch wenn Sie das Geld dringend für anderes benötigen. Auch kleine Zeichen haben in angespannten Zeiten eine Signalwirkung: Ein Kuchen für ein erfolgreiches Team, eine Kinokarte oder eine Flasche Schampus für einen Mitarbeiter, der herausragende Leistungen erbringt, wird kein großes Loch in die Unternehmensfinanzen reißen.

Das Vergeben von Aufmerksamkeiten nach dem Gießkannenprinzip führt nie zu dem erwünschten Motivationsschub: Belohnen Sie möglichst individuell. Überlegen Sie genau, was bei dem betreffenden Mitarbeiter wirklich gut ankommt. Nutzen Sie auch immaterielle Anreize – von Ihnen persönlich nach einem besonders langen Arbeitstag nach Hause chauffiert zu werden, kann ein unvergessliches Erlebnis für manchen Mitarbeiter und Gelegenheit für Sie zu einem informellen persönlichen Gespräch zugleich sein.

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Gunther Wolf
Diplom-Ökonom und Diplom-Psychologe, ist seit 1984 als
zertifizierter Management-Berater national und international
tätig. Er ist Geschäftsführer der Wolf Managementberatung,
Strategie- und Zielberatung sowie der mittelständischen
I.O. Group Unternehmensgruppe.
Internet: www.gunther-wolf.de
E-Mail: g.wolf@gunther-wolf.de