Mutterschaftsurlaub: Rechte und Pflichten
Das Arbeitsrecht der Schweiz zeichnet sich nicht durch besondere Kinder- und Elternfreundlichkeit aus. Erst jüngste Vorschläge suchen Anschluss an europäische Niveaus.
“In der Schweiz gilt die Vereinbarkeit von Beruf und Familie traditionellerweise als Privatangelegenheit”, heisst es noch heute auf den Seiten des Bundesamtes für Sozialversicherungen. Abseits elementarer Schutzregelungen in Arbeitsgesetz und Mutterschaftsverordnung hat sich erst in den letzten Jahren in Sachen Familienpolitik etwas bewegt.
14- Wochen Mutterschaftsurlaub
So wurde 2005 nach längerem Zögern der Politik ein 14-wöchiger Mutterschaftsurlaub eingeführt, der den bisher nur 8-wöchigen im Arbeitsgesetz verankerten erhöht. Während seiner Dauer wird eine Mutterschaftsentschädigung gezahlt, die zu den Sozialversicherungen gehört – also keine finanzielle Belastung des Arbeitgebers darstellt.
Keine Überstunden!
Der Arbeitgeber muss schon während der Schwangerschaft einer Mitarbeiterin eine Reihe von Richtlinien aus Arbeitsgesetz und Mutterschutzverordnung beachten. Von Beginn der Schwangerschaft an darf die Frau nicht mehr als neun Stunden täglich arbeiten, auch wenn das vertraglich vereinbart sein sollte. Zudem darf sie keinerlei Überstunden leisten.
Risikobeurteilung
Betriebe mit gefährlichen oder für Mutter und Kind beschwerlichen Tätigkeiten müssen eine Risikobeurteilung durch einen Fachspezialisten vornehmen lassen – möglicherweise müssen Anpassungen gemacht werden und die Schwangere muss von Aufgaben entlastet werden, die eine potenzielle Gefahr für Mutter und Kind darstellen.
Bei der Arbeit in Raucherbereichen ergeht in der Regel ein Beschäftigungsverbot. Ausserdem muss die Schwangere auf ihren Wunsch hin von Arbeiten befreit werden, die ihr subjektiv als beschwerlich erscheinen, schreibt das Staatssekretariat für Wirtschaft (seco) in einem Merkblatt.
Besonderer Kündigungsschutz
Zudem gilt ein Kündigungsverbot vom Anfang der Schwangerschaft bis 16 Wochen nach Geburt des Kindes. Wurde vor Beginn der Schwangerschaft eine Kündigung ausgesprochen, unterbricht der Eintritt der Schwangerschaft die laufende Kündigungsfrist. Sie läuft dann erst 16 Wochen nach Geburt des Kindes wieder weiter. Eine Kündigung während der Schwangerschaft ist von vornherein nichtig.
Falls die Arbeitnehmerin Nachtarbeit leistet, hat sie Anspruch auf eine gleichwertige Arbeit zwischen 6 und 20 Uhr. Falls das nicht möglich ist, erhält sie 80 Prozent des letzten Lohnes ausgezahlt, ohne arbeiten zu müssen.
Ab dem sechsten Schwangerschaftsmonat darf eine hauptsächlich stehende Tätigkeit nur noch bis maximal vier Stunden pro Tag ausgeübt werden. Ab dem achten Schwangerschaftsmonat bis zur Geburt ist ein Arbeitseinsatz zwischen 20 und 6 Uhr gänzlich verboten.
Nach der Geburt: Acht Wochen Beschäftigungsverbot
Nach der Geburt gilt für die junge Mutter zunächst ein generelles Beschäftigungsverbot von acht Wochen. Bis 14 Wochen nach der Geburt wird der Mutter grundsätzlich ein Lohn (bzw. die Mutterschaftsentschädigung) von 80 Prozent des bisherigen Lohnes (höchstens jedoch 196 Franken täglich) ausgezahlt. Die Arbeitnehmerin hat das Recht, bis 16 Wochen nach der Geburt der Arbeit fern zu bleiben, wenn sie eine Lohneinbusse in Kauf nimmt.
Von der neunten bis zur 14. Woche nach der Geburt kann eine Mutter Nachtarbeit leisten, sie muss es jedoch nicht. Wenn sie sich dagegen entscheidet und der Arbeitgeber keine Tätigkeit zwischen 6 und 20 Uhr anbieten kann, hat sie Anrecht auf 80 Prozent ihres Lohnes.
Bis ein Jahr nach Geburt des Kindes gilt ferner das Stillen des Kindes im Betrieb als Arbeitszeit. Stillt die Arbeitnehmerin das Kind ausserhalb des Betriebes, gilt die aufgewendete Zeit zu 50 Prozent als Arbeitszeit.
Setzt sich das Modell der Elternzeit durch?
Für Väter gibt es hingegen anders als in zahlreichen europäischen Staaten keinen gesetzlich geregelten Vaterschaftsurlaub. Wer sich bei Geburt eines Kindes frei nimmt, bezieht einen freien Tag nach Obligationenrecht oder Sonderurlaub zur Erledigung persönlicher Angelegenheiten.
Situativ bewegt sich aber doch etwas. So führte die Bundesverwaltung 2008 einen fünftägigen Vaterschaftsurlaub für ihre Beschäftigten ein. Auch die Kantonsverwaltungen kennen zwischen 2 (Thurgau) und 10 (Genf) Tagen Urlaub für frischgebackene Väter. Verschiedene Firmen offerieren Vaterschaftsurlaub aus eigener Initiative heraus.
Vorgeschlagenes Elternzeitmodell “eher bescheiden”
Immerhin stellte die Eidgenössische Koordinationskommission für Familienfragen (EKFF) Ende 2010 ein Modell vor, welches die Einführung von Elternzeit und Elterngeld in der Schweiz vorschlägt. Künftig sollen Eltern über 24 Wochen Elternzeit, die sie sich gemeinsam aufteilen, verfügen können.
Vier Wochen stehen jedem Elternteil individuell zu, können also nur von diesem bezogen werden. Das Einkommen soll nach dem Modell der Mutterschaftsentschädigung ersetzt werden. Doch auch dieses Modell nennt die EKFF “bescheiden”. “Die meisten europäischen Länder kennen grosszügigere Regelungen”, heisst es in einer Medienmitteilung.