Speed-Date für den neuen Job

Der Trend kommt aus England, verbreitet sich aber in Europa rasch: Job-Speed-Dating, ein Rekrutierungsverfahren, bei dem sich Personalverantwortliche und Bewerber analog dem Speed-Dating aus der Partnervermittlung nur kurz und rasch abchecken.

In langen Reihen sitzen sich die potenziellen Partner an kleinen Tischen gegenüber. In kurzer Zeit muss eine Entscheidung fallen. Näher kennenlernen oder ablehnen? Nach ein paar Minuten ertönt ein Gong und eine Reihe rückt einen Tisch weiter – zum nächsten Gesprächspartner, zur nächsten Kurzpräsentation.

Nur harte Fakten zählen

Im Vordergrund stehen beim Job-Speed-Dating weniger die Umgangsformen und Sympathiewerte, sondern die harten Fakten. Berufserfahrung, Fähigkeiten, Zielvorstellungen. In der Schweiz wird das Verfahren bereits eingesetzt, ist aber noch nicht flächendeckend bekannt.

Marie-Hélène Birchler Balbuena, Leiterin des Regionalen Arbeitsvermittlungszentrums Zürich Oerlikon (RAV), berichtet von ihren Erfahrungen mit einem ähnlichen Verfahren, welches die Zürcher RAVs unter der Bezeichnung “Stellenbörse” anwenden. Diese Börsen finden entweder im RAV mit dem Arbeitgeber oder privaten Stellenvermittler statt oder werden vom RAV am Sitz einer Firma unter Einsatz von RAV-Personalberatenden organisiert.

Schnell und effizient

Nachdem das Stellenprofil definiert ist, melden RAVs aus der Region mögliche Kandidaten an das durchführende RAV. Dieses nimmt eine erste Selektion vor und arrangiert dann eine Serie von Kurzinterviews mit Stellensuchenden im Viertel- oder Halbstundentakt. Nach dem Gespräch wird entschieden, ob es ein weiteres ausführliches Gespräch oder eine sofortige Job-Zusage gibt.

Laut Birchler Balbuena ist das Vorgehen ein “guter Kanal um schnell und effizient viele Stellensuchende gleichzeitig präsentieren zu können”. Ausserdem habe er für beide Seiten Vorteile. Arbeitgeber erhielten rasch einen ersten Eindruck von Bewerbern, auch ohne “hunderte” CVs studiert zu haben. Für Kandidaten gebe es einen raschen – sofortigen – Bescheid.

Erste Fragen könnten gleichfalls unverzüglich besprochen werden. Schliesslich liessen sich Kosten für Erstellung und Versand von Bewerbungsmappen sparen. Birchler Balbuena betont jedoch die Eignung des Verfahrens vor allem für Stellensuchende, die sich “verbal gut ausdrücken und verkaufen” können. Das müsse dann noch am besten mit einem stilsicheren, gepflegten Auftreten einhergehen.

SBB planen Versuch mit Job-Speed-Dating

Einen ersten Versuch in Sachen Job-Speed-Dating planen die Schweizerischen Bundesbahnen SBB noch im ersten Halbjahr 2011. Konzernmediensprecher Reto Kormann sieht im Job-Speed-Dating “eine sehr spannende Methode”. Allerdings eigne es sich nicht gleichermassen für alle Berufsgruppen. “Wenn wir eine grosse Masse ähnlicher Jobprofile suchen wie beispielsweise Trainees oder Reisezugbegleitende, dann macht ein Job-Speed-Dating absolut Sinn”, meint Kormann. Bei sehr individuellen Stellenprofilen tauge die Methode aber weniger.

Neuland ist Job-Speed-Dating hingegen für Caroline Kälin vom Personaldienstleister Kelly Services. Die Marketing&PR-Managerin der Firma hat von dem Verfahren bisher noch nichts gehört. Allerdings bemerkt sie, dass allgemein nebst den Qualifikationen die Sozialkompetenz und die Persönlichkeit von Bewerbern immer wichtiger für den Rekrutierungsentscheid werden “Job-Speed-Dating verläuft gegen diesen Trend”, findet Kälin. Sie bewertet den Trend zu Social Media bei der Rekrutierung als immer wichtiger. Offene Stellen werden von Kelly Services bereits via Twitter publiziert. Weil Fachkräfte immer knapper würden, wären Social Media zur Erreichung von passiven Kandidaten, die gar keine Stelle suchen, optimal.

Vorbehalte gegenüber dem neuen Verfahren

Vorbehalte zum Job-Speed-Dating äussert auch Daniel Vogel, Leiter Talent Management bei der Manor AG. “Ich habe davon gehört und gelesen, es aber noch nie ausprobiert”, sagt er. Vogel glaubt, dass das Konzept besonders dann sinnvoll ist wenn ein grosses Angebot auf eine grosse Nachfrage trifft, wenn also mehrere Stellenanbieter und viele Interessenten vorhanden sind.

Das wäre etwa bei einer der zahlreichen Absolventenmessen an Hochschulen der Fall. Allerdings dürfte es dem Kandidaten gegenüber auch etwas respektlos und wenig persönlich wirken, wenn er nach nur fünf Minuten eine Absage erhalte. Trotzdem könnte sich Vogel ein Job-Speed-Dating als interessanten Versuch vorstellen. Aus Personalbedarfsgründen gehe das aber nur, wenn beispielsweise ein ganz neues Warenhaus eröffnet werde.