Sonderregeln für Grenzgänger
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Grenzgänger bilden seit jeher eine Stütze der Schweizer Wirtschaft. Bei der Beschäftigung von Personen mit Wohnsitz im grenznahen Ausland sind allerdings einige Besonderheiten zu beachten, besonders bei den Versicherungen.
von Kristin Kranenberg
Knapp 250’000 Grenzgänger gingen Mitte 2011 in der Schweiz einer Arbeit nach – dank dem wirtschaftlichen Aufschwung waren es 6,5 Prozent mehr als noch ein Jahr zuvor. Als Grenzgänger gilt, wer mindestens einmal pro Woche an den Wohnsitz zurückkehrt. Auch die Londonerin etwa, die in Bern arbeitet und jeweils am Wochenende nach Hause fliegt, gehört somit zu dieser Gruppe. Sie gilt aber nur bewilligungsrechtlich und nicht steuerrechtlich als Grenzgängerin. “Dieser Unterscheid wird oft übersehen, ist aber wichtig”, sagt Ann-Kristin Rösli, Abteilungsleiterin bei der Steuerverwaltung Basel-Stadt.
Steuerregelungen für Grenzgänger aus der EU
Denn nur diejenigen, die für ihre Arbeit täglich – oder so gut wie täglich – über die Grenze hin und her pendeln, erhalten auch den steuerrechtlichen Status eines Grenzgängers. Zum Teil gibt es je nach Kanton, wo die Arbeit stattfindet, und Herkunftsland des Arbeitnehmers unterschiedliche Regeln für die steuerliche Behandlung von Grenzgängern. Bei den über 50’000 Pendlern aus Deutschland behalten die Schweizer Unternehmen 4,5 Prozent Quellensteuer auf den Lohn ein – die übrigen Steuern fallen am deutschen Wohnsitz an. Für die französischen Grenzgänger, die mit 130’000 Personen die weitaus grösste Gruppe bilden, bestehen kantonal unterschiedliche Steuerregelungen.
Erste Bedingung für die Beschäftigung von Grenzgängern ist allerdings die Arbeitsbewilligung. Für Angehörige aus den Nachbarschaftsstaaten der Schweiz, die unter das Personenfreizügigkeitsabkommen mit der EU fallen, reicht es, wenn der Arbeitgeber bei den Behörden einen Arbeitsvertrag vorlegt. Schwieriger sieht es aus bei Angehörigen von Drittstaaten.
Grenzgänger aus Drittstaaten
Um Bürger aus einem Land ausserhalb der EU in Dienst zu nehmen, muss der Arbeitgeber erstens nachweisen, dass er in der Schweiz oder der EU keine vergleichbar qualifizierte Person finden kann. Ausserdem ist der Zugang dieser Personen zum Schweizer Arbeitsmarkt kontingentiert. Dazu kommt, dass Drittstaatangehörige laut Schweizer Bundesgesetz nur eine Grenzgänger-Bewilligung erhalten, wenn sie im Nachbarland über ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht verfügen und seit mindestens sechs Monaten im nahen Grenzgebiet leben.
Zuständigkeit der Kassen klären
Grenzgänger aus den grossen Nachbarschaftsstaaten haben am Anfang des Arbeitsverhältnisses die Wahl, ihre Krankenversicherung in der Schweiz oder am eigenen Wohnsitz abzuschliessen. Die weiteren sozialen Prämien fallen in der Schweiz an, allerdings gibt es hier Ausnahmen. Wenn ein Grenzgänger zusätzlich zur Schweiz auch im Wohnland berufstätig ist, sind sämtliche sozialen Abgaben – auch jene für die in der Schweiz geleistete Arbeit – am Wohnsitz der Person zu entrichten. Beitragshöhe und Leistungsansprüche richten sich in diesem Fall nach den Regeln des Wohnlands. Diese Vorschrift des europäischen Koordinationsrechts gilt auch, wenn der Grenzgänger zuhause nur einen kleinen Nebenjob ausübt. “Für die Schweizer Arbeitgeber ist dies ein wichtiger Punkt, den sie zu Beginn des Arbeitsverhältnisses abklären müssen”, sagt der Jurist Marc Borer, Schweizer Delegierter bei Infobest, einer Beratungsstelle für grenzüberschreitende Fragen in der Region Oberrhein.
Vielen Firmen und selbst manchen Versicherungskassen sei die Bedingung aber nicht bewusst, betont Borer. Es sei schon vorgekommen, dass ausländische Kassen mehrere Jahre zurückliegende Prämien einforderten. Dann musste das Geld bei den Schweizer Kassen zurückgeholt werden. “Solche Fälle sind am Ende meist lösbar, aber der Aufwand ist sehr gross”, sagt Borer. Um solche Probleme zu vermeiden, nehmen manche Arbeitgeber im Arbeitsvertrag einen Passus auf, mit dem der Grenzgänger auf Erwerbstätigkeit im Ausland verzichtet, wie Borer erläutert. Mit dem freien Vertragsrecht in der Schweiz sei dies in der Regel im Einklang.
Eurokrise sorgt für Reibung
Und was ist, wenn es zwischen einem Arbeitgeber und einem Grenzgänger zu Meinungsverschiedenheiten kommt? Themen wie die Ausbezahlung von Überstunden oder die Handhabung der Kündigungsfrist könnten in jedem Arbeitsverhältnis für Zündstoff sorgen, bemerkt Borer. Separate “Grenzgänger-Gesetze” gebe es nicht. Bei Arbeitskonflikten gelte die Schweizer Rechtslage.
Für Reibung sorgte in letzter Zeit die Eurokrise. Laut Medienberichten sollen einige Schweizer Firmen ins Auge gefasst haben, ihre Grenzgänger in Euro auszubezahlen. Mit ihrem starken Frankenlohn stünden den Grenzgängern bedeutend mehr Mittel zur Verfügung als noch vor ein paar Jahren, während die Arbeitgeber unter Exporteinbussen litten, wurde von Unternehmerseite argumentiert. Die Gewerkschaften protestierten aber umgehend: Dies sei eine diskriminierende Massnahme. Der Ausgang der Auseinandersetzung ist noch offen. Am Ende werden wohl die Richter entscheiden müssen, ob ein Grenzgänger-Lohn in Euro mit dem Gesetz im Einklang steht.