Internationale Praktika: Der Blick über den Tellerrand
“We Mean Business” – so das Motto einer Initiative der Europäischen Kommission. Ziel ist es, Unternehmen anzuregen, mehr internationale Praktikumsplätze zu schaffen. Das hat für beide Seiten Vorteile. Berufseinsteiger haben einen reibungslosen Übergang vom Studium ins Arbeitsleben. Unternehmen finden und binden potenzielle Spitzenkräfte. Und wer im War for Talents keine Niederlage einfahren will, kommt künftig um den Blick ins Ausland nicht mehr umhin.
von Johanna Berger
Die österreichische Zumtobel Gruppe hatte bisher nicht viele internationale Praktikumsplätze im Angebot. Doch weil der Fachkräftemangel weltweit grösser wird, entwickelt auch der Vorarlberger Hersteller für Innen- und Aussenbeleuchtung neue Strategien, um den Kampf um Talente nicht zu verlieren.
EU fördert internationale Praktika
Das führt auch zu einer internationalen Verknüpfung: Das österreichische Unternehmen beschäftigt für ein halbes Jahr einen deutschen Maschinenbau-Studenten der TU Ilmenau am Standort Spennymoor in Nord-England. Die Option dabei: Aus dem Studenten könnte eines Tages ein Mitarbeiter werden. Deswegen wird der angehende Maschinenbauer intensiv von Personalerin Nadine Grasl von der Firmen-Zentrale in Dornbirn aus betreut. “Ich kann mir vorstellen, dass wir so etwas jetzt öfters machen”, sagt sie.
Mitte April hat die Europäische Kommission die Initiative “We Mean Business” gestartet, um Unternehmen zu animieren, mehr Praktikumsplätze zu schaffen. Für ein Jahr ist diese Initiative angelegt, die EU wird Finanzmittel für 280.000 Praktika im Rahmen ihrer Praktikanten-Förderprogramme “Leonardo da Vinci” und “Erasmus” zur Verfügung stellen.
Orientierung zu ausländischen Arbeitsmärkten
Es geht der Kommission dabei auch um eine verstärkte Orientierung der Unternehmen hin zu ausländischen Arbeitsmärkten, nach dem Motto: Wer heute nicht international aufgestellt ist, verliert nicht nur als Arbeitgeber Reputation – er verliert auch Aufträge. Eine bereits im Jahr 2006 veröffentlichte Studie der EU-Kommission besagt, dass 11 Prozent der 2.000 befragten europäischen Unternehmen wegen fehlender Sprachkenntnisse einen Auftrag verloren haben.
Michael Herz ist einer der freiberuflichen Personaler, die im Bundesverband Selbstständiger Personalleiter organisiert sind. Er wird von Unternehmen gerufen, um interimsweise Projekte in Personalabteilungen umzusetzen. Derzeit ist er bei Rhode&Schwarz tätig, einem Hersteller für hoch spezialisierte Test- und Messtechnologie. 8.700 Mitarbeiter beschäftigt das Unternehmen weltweit, 2.500 in der Zentrale in München, wo derzeit 180 Praktikanten arbeiten. Und darunter sind auch viele aus dem Ausland, “denn wir sind ein multikulturelles Unternehmen”, betont der Personaler.
Praktikanten gezielt einsetzen und fördern
Bei deren Auswahl sei man genauso zufrieden wie bei deutschen Praktikanten, Ausländer und Deutsche seien gleichermassen motiviert und qualifiziert. “Unsere Trefferquote liegt bei 100 Prozent”, sagt Herz. Die Bewerbungen gehen zwar vorwiegend aus Europa ein, doch es gibt auch qualifizierte Interessenten aus dem Libanon, Indien oder Russland. Keines der Praktika dauert weniger als acht Wochen, “die meisten bleiben ein Semester bei uns”, sagt Herz.
Unternehmen, die Praktika anbieten, sollten aber wissen, dass die jungen Leute nicht nur Mitläufer oder Handlanger sein wollen. Bei Zumtobel etwa “schauen wir, dass Praktikanten anspruchsvolle Tätigkeiten bekommen”, sagt Personalerin Grasl. Das gelte auch und vor allem für den Ilmenauer Maschinenbaustudenten in Spennymoor.
Praktikanten als vollwertige Mitarbeiter einsetzen
Bei Rhode&Schwarz werden alle Praktikanten in Teams integriert, in den jeweiligen Fachabteilungen gibt es für sie eigene Arbeitsplätze. “Uns ist wichtig, die Praktikanten als ‘normale’ vollwertige Mitarbeiter zu sehen und nicht als Helfer. Das motiviert den Einzelnen enorm.”
Das Resultat: Zu Rohde&Schwarz bindet die jungen Leute ans Unternehmen. “Von 100 ehemaligen Praktikanten kommen 50 zu uns zurück als Werkstudenten”, sagt Herz. “Durch die Praktikabinden wir die Mitarbeiter. Spätestens, wenn wir die Leute ein zweites Mal sehen, erfassen wir sie detaillierter. Dann kommen sie in den Nachwuchspool hinein.” Ein Arbeitgeber, der gute Leute haben will, muss sich um sie kümmern, betont Personaler Herz. “Nicht wir wählen aus, sondern wir werden ausgewählt.”
Junge Talente ans Unternehmen binden
Sein Kollege Klaus Neumayer, als freier Personaler in Pharmakonzernen tätig, sagt, dass die Beschäftigung von Praktikanten in den Unternehmen, in denen er tätig ist, ein Mittel sei, in “umkämpften” Gebieten Mitarbeiter zu gewinnen. “Wenn Praktikanten positive Erfahrungen gemacht haben, sind die Chancen überdurchschnittlich hoch, dass beide später zueinander finden.”
Wer also als Unternehmen auf dem Arbeitsmarkt mithalten will, kommt ohne Öffnung ans Ausland oder Attraktivität für ausländische Mitarbeiter nicht umhin. Der Sachverständigenrate deutscher Stiftungen für Integration und Migration hat jüngst 6.200 internationale Studierende in Deutschland, Frankreich, Grossbritannien und Schweden befragt, wo sie nach ihrem Hochschulabschluss arbeiten wollen. Zwei Drittel der befragten würden demnach gerne in ihrem aktuellen Gastland eine Stelle antreten.