Firmen googeln Bewerber

Manche Firmen checken Bewerber via Internet ab: Das Googeln von Bewerbern ist für Schweizer Personaler kein Tabu, aber auch keine Selbstverständlichkeit.
“Unser elektronisches Bewerbermanagement-System stellt automatisch Links zum Facebook- und Xing-Profil zur Verfügung”, meint beispielsweise Olivia Luginbühl vom Migros-Genossenschaftsbund. Zwar nutzt die Dachorganisation des grössten Detailhändlers im Land die Recherche auf solchen Kanälen nicht standardisiert, sie “kann aber situativ Sinn machen”.
Mehr über Kandidaten erfahren
Im Hintergrund steht der Wunsch, “mehr über den Kandidaten zu erfahren”. Allerdings sind die gewonnenen Infos nicht gleich Karrierekiller. Wenn aus sozialen Netzwerken zusätzliche Infos kommen, hat dies “in den meisten Fällen” keinen Einfluss auf den Einstellungsentscheid. Vereinzelt gewann man aber doch Informationen, die “zumindest im Gespräch mit dem Kandidaten vertieft besprochen werden mussten”.
Beim Sanitärunternehmen Geberit nutzt Daniel Schicker, Human Resources Manager International, das Internet mittlerweile nur noch stichprobenweise. Aus seiner Sicht sind Aufwand und Ertrag unverhältnismässig. Auslöser von Recherchen sind für ihn Lebensläufe, denen es aus seiner Sicht an Aussagekraft mangelt oder wenn die Bewerbung Fragezeichen hat. Unter letztem versteht er sehr häufige Wechsel des Jobs oder Umzüge. Zu Absagen haben die Nachforschungen laut Schicker indessen nie geführt. Er hat demnach vor allem ergänzende Infos zu Hobbies, Reisen und Familie im Internet gefunden.
Schweizerische Post und Swisscom äussern sich eher zurückhaltend. Bei der Post wird die Privatsphäre der Bewerber respektiert und nicht gegoogelt, so Sprecherin Nathalie Salamin. Für die Swisscom stehen die vom Bewerber eingereichten Unterlagen im Mittelpunkt. “Wir machen daher keine systematische Online-Suche, dazu wäre auch der Aufwand viel zu gross”, lässt Sprecher Olaf Schulze wissen. Ausserdem habe man kein Interesse an privaten Informationen und Bildern der Bewerber. Eine Ausnahme wird gemacht, wenn Bewerber extra auf ihr Online-Profil hinweisen.
Rechtliche Situation ungeklärt – Anlehnung an deutsches Modell erwartet
Rechtlich ist das Internetscreening von Bewerbern in der Schweiz noch nicht geregelt. Arbeitsrechtler und Informatikspezialist Urs Egli von der Zürcher Kanzlei epartners erwartet, dass man sich am deutschen Vorgehen orientieren wird. “Kurz gesagt wird wohl Facebook verboten und Xing erlaubt”, meint er unter Anspielung auf den 2010 vorgestellten Entwurf zur Regelung des deutschen Beschäftigtendatenschutzes. Dreh- und Angelpunkt für die Schweiz ist aus seiner Sicht Artikel 328b im Obligationenrecht, der die Datenbearbeitung im Arbeitsverhältnis regelt.
Dort ist beispielsweise auch definiert, welche Art Fragen im Vorstellungsgespräch zulässig sind und welche nicht. “Dinge, die man im Vorstellungsgespräch nicht fragen darf, denen darf man im Internet auch nicht nachspionieren”, findet Egli. Genau das tue man aber, wenn man sich heimlich Informationen über einen potentiellen Mitarbeiter zu verschaffen suche. Die Einträge auf Facebook würden schliesslich nicht mit Blick auf künftige Arbeitgeber gemacht, wohl aber die auf Xing.
Bewerber googeln – Profis verzichten darauf
Doch Egli sieht noch grössere Probleme. “Noch schlimmer ist das googeln von Leuten”, meint er. Was dort erscheine, entziehe sich jeder persönlichen Kontrolle. Die auf diesem Weg gewonnenen Informationen dürften eigentlich gar nicht verwendet werden. Grosse Unternehmen mit professionellen HR-Abteilungen würden auch nicht so vorgehen. Doch KMUs nutzten die Möglichkeit – heimlich natürlich.
“Praxis und Zulässigkeit sind da nicht im Gleichschritt”, sagt Egli. Ein Gerichtsurteil dazu wird es wohl noch lange nicht geben. Einerseits wird kaum ein abgelehnter Stellenbewerber davon erfahren und andererseits wird kaum ein Unternehmen ein solches Vorgehen schriftlich dokumentieren oder öffentlich machen.
Datenschützer rät zur Vorsicht bei Publikation persönlicher Infos
Das Büro des Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten Hanspeter Thür rät deshalb zur Vorsicht mit der Publikation persönlicher Infos. “User müssen sich bewusst sein, dass es im offenen Internet keine Privatsphäre gibt und entsprechend zurückhaltend persönliche Informationen preisgeben”, meint Amtssprecherin Eliane Schmid. Problematisch wäre es, wenn ein Arbeitgeber sich unter Vorspiegelung einer falschen Identität oder in sozialen Netzwerken als “friend of a friend” Informationen besorgt, die der Betroffene nur einem bestimmten Personenkreis zugänglich gemacht hat.
Ein solches Vorgehen würde gegen das Transparenzprinzip verstossen und wäre auch nicht verhältnismässig, lässt Schmid wissen. Verbote an die Adresse der Arbeitgeber hält sie realistischerweise für kaum durchsetzbar: “Deshalb empfehlen wir generell, persönliche Details nicht ins Internet zu stellen”. Im Falle von problematischen Veröffentlichungen könne es sogar angezeigt sein, einen potentiellen Arbeitgeber aktiv zu informieren.