Qualität des Assessment Centers hat gelitten
Immer mehr Unternehmen setzen bei der Personalauswahl Assessment Center ein. Deren Qualität ist im Hinblick auf die Vorhersage beruflichen Erfolgs im Vergleich zu manch anderem Verfahren zwar beachtlich, zuletzt ist aber Kritik am AC laut geworden.
In der Schweiz spielen Assessment Center (AC) bei der Auswahl zukünftiger Mitarbeiter eine beachtliche Rolle. “Jedes achte Unternehmen führt regelmäßig Assessment Center durch, drei Viertel kennen zumindest das Verfahren”, berichtet Dr. Hubert Annen, Vorsitzender des Arbeitskreises AC (AKAC), Dozent für Militärpsychologie an der ETH (Zürich) und wissenschaftlicher Leiter des Assessment Centers für angehende Berufsoffiziere. Nach einer internationalen Untersuchung im Rahmen des Cranfield-Projekts beträgt der Anteil der Unternehmen, die in der Schweiz bei der Besetzung von Führungspositionen AC nutzen, sogar knapp 44 Prozent.
Verhaltener Einsatz von Persönlichkeitstests in Auswahl-ACs
Während in Deutschland kritisiert wird, dass im AC nicht scharf genug zwischen Eigenschaften, Verhalten und Leistungen der Bewerber getrennt wird und zu selten Tests in das Verfahren integriert sind, beobachtet Annen in der Schweiz keine generelle Hemmung, Tests im AC unterzubringen. “Im Unterschied zu Verfahren, die der Personalentwicklung dienen, ist man aber auch hierzulande eher zurückhaltend mit Tests in AC, die für die Personalselektion konzipiert werden”, räumt Annen ein.
Verständlich sei das Verhalten der Unternehmen in Bezug auf Persönlichkeitstests, da Bewerber bei der Personalauswahl ein Interesse an geschönten Testergebnissen hätten. “Dagegen macht der Einsatz von Leistungs- und Fähigkeitstests in den Auswahlverfahren Sinn”, sagt Annen. Nach einer Untersuchung von Matthias Berchtold bestimmen in der Schweiz vor allem Fall- und Planstudien, Aufgabensimulationen und Rollenspiele das Bild der Auswahl-AC. Nach Annen kommen auch Gruppendiskussionen nach wie vor zum Einsatz, die seien aber nur schwer zu standardisieren.
Eile reduziert die Ergebnisqualität
Heutzutage gehe es bei der Personalauswahl oft schnell zu, meint Annen. Eine fundierte Anforderungsanalyse und sich intensiv Gedanken darüber zu machen, welche Verhaltensdimensionen der Bewerber in welchen Modulen des AC überprüft werden sollen, blieben da schon mal auf der Strecke. “Wenn das nicht richtig gemacht wird, nutzt ein AC wenig”, sagt Annen. Zudem bestehe die Gefahr, dass ein AC nur eingesetzt werde, weil die Linienvorgesetzten nicht allein die Verantwortung für eine Auswahlentscheidung tragen wollten.
Subjektivität messbar machen
“Es gibt keine objektive Beurteilung”, resümiert Annen seine 20-jährige Erfahrung in der Personalbeurteilung. Subjektivität könne jedoch kontrolliert werden, gerade mit Hilfe des AC. Deren Ergebnisse, sprich die Beurteilungen der zuvor geschulten Beobachter (Assessoren), werden hier gemeinsam hinterfragt, diskutiert und abgestimmt. Vorab definierten Regeln, wie das zu geschehen hat, und der steuernden Rolle des Vorsitzenden der Assessoren komme daher eine große Bedeutung zu, so Annen.
Schweizer Arbeitskreis will Gütesiegel
Um die Qualität der AC zu verbessern, orientiert sich der AKAC bei seinen Empfehlungen an den Standards des deutschen Arbeitskreises AC (Hamburg). Dass in der Schweiz ebenso wie in Deutschland eine Norm (DIN 33430 “Anforderungen an Verfahren und deren Einsatz bei berufsbezogenen Eignungsbeurteilungen”) zur Qualitätsverbesserung bei der Personalauswahl etabliert wird, hält Annen für wenig wahrscheinlich. “Das hat bei uns keine Tradition. Wir streben seitens des Arbeitskreises vielmehr die Vergabe eines Gütesiegels an, wenn die Unternehmen und Organisationen unseren Empfehlungen folgen”, sagt Annen.
Österreich hat eine Norm
Ein Arbeitskreis mit Experten, die sich außerhalb der etablierten Verbandslandschaft mit der Qualitätssicherung von AC beschäftigt, gibt es in Österreich nicht. Dafür existiert dort aber wie in Deutschland eine Norm (ÖNORM D 4000), die “Anforderungen an Prozesse und Methoden in der Personalauswahl und -entwicklung” definiert. “Die benutzen auch wir als Richtlinie”, berichtet Gerd Beidernikl, Projektmanager bei der psychonomics AG (Wien), die AC für Unternehmen konzeptioniert und durchführt.
Nach Ergebnissen des Cranfield-Projekts setzen in Österreich nur knapp 26 Prozent der Unternehmen bei der Auswahl von Führungskräften AC ein. Nach Beidernikl ist die vergleichsweise geringe Anzahl allerdings hauptsächlich der Tatsache geschuldet, dass in der Alpenrepublik viele kleine und mittlere Unternehmen existieren. “Große und international tätige Unternehmen nutzen auch bei uns häufig das AC”, sagt Beidernikl. Die Frage, welche Verfahren in das AC integriert werden sollten und was damit zu überprüfen ist, hängt nach Beidernikl einzig und allein von der Anforderungsanalyse der zu besetzenden Position ab.
Gewissenhafter Einsatz von Tests
“Das strukturierte Interview gehört in jeden Auswahlprozess hinein, wir halten aber auch psychometrische Tests für unabdingbar”, sagt Beidernikl. Insbesondere Persönlichkeitstests, sollten jedoch nur dann von den Unternehmen genutzt werden, wenn genügend Raum für eine intensive Rückmeldung an die Bewerber bestehe. “Der gewissenhafte Umgang mit Test ist wichtig für das Image des Unternehmens, die Akzeptanz der Bewerber und um deren Interesse zu wecken”, sagt Beidernikl. Dass Personaler zurückhaltend beim Einsatz von Tests seien, hänge auch mit der Unübersichtlichkeit des Marktes für solche Produkte zusammen.
Zeit- und Geldaufwand nicht unterschätzen
Ein AC mal eben so nebenbei durchzuführen, davon rät Beidernikl ab. “Die Unternehmen unterschätzen den Zeit- und Geldaufwand”, sagt Beidernikl. Gegebenenfalls sei es besser, Konzeption und Durchführung auszulagern. Als ein externer Dienstleister informiert die psychonomics AG seine Kunden und deren Assessoren darüber, welche der geforderten Eigenschaften und Verhaltensweisen mit welcher AC-Übung überprüft werden, und was ein Kandidat zeigen muss, um beispielsweise als guter Teamplayer oder Rhetoriker eingestuft werden zu können. Auch in die Beobachter-Konferenz ist der Dienstleister eingebunden. “Wir moderieren die Konferenzen, in denen die Bewertungen der Assessoren diskutiert und zu einem Gesamtergebnis integriert werden”, sagt Beidernikl.
Buchtipps:
Berchtold, Matthias (2005): Häufigste Auswahlverfahren in der Personalselektion, in: HR Today, 12/Dezember
Kersting, Martin (2006): Steigender Bedarf, höhere Qualität. Stand, Herausforderungen und Perspektiven der Managementdiagnostik, in: Personalführung, Heft 10, 16-27
Schuler, Heinz (2007): Spielwiese für Laien? Warum das Assessment Center seinem Ruf nicht mehr gerecht wird, in: Wirtschafspsychologie aktuelle, Heft 2, 27-30
DIN 33430 (2002): Anforderungen an Verfahren und deren Einsatz bei berufsbezogenen Eignungsbeurteilungen
ÖNORM D 4000 (2006): Anforderungen an Prozesse und Methoden in der Personalauswahl und -entwicklung