Nörgler nicht mundtot machen
Nörgler gelten als Bremsklötze: Mitarbeitende, die zu allem “Ja, aber …” sagen. Oft zu Unrecht, denn viele Einwände sind berechtigt. Gute Chefs unterscheiden deshalb zwischen fundierter Kritik und faulen Ausreden.
Es knirscht im Getriebe, der Druck von oben nimmt zu: Massnahmen werden gefordert, Aktivitäten erwartet. Die Führungsetage erarbeitet Konzepte und gleist sie auf. Doch es reicht nicht. Also Personal abbauen, weitere Projekte entwickeln. Die Zeit drängt – Changemanagement ist das Gebot der Stunde.
Modernisierungsgegner, Bewahrer des Bekannten, Bremsklötze?
Doch dann kommen sie ins Spiel: Die ewiggestrigen “Ja, aber…”-Typen. Mitarbeiter, die sich gegen alles sperren. Modernisierungsgegner, Bewahrer des Bekannten, Bremsklötze – ein Albtraum für jeden Vorgesetzten. Zu unbeweglich seien sie, wird schnell einmal kolportiert, verkalkt oder verknöchert. Zu bequem, sich dem wandelnden Umfeld zu stellen, und zu faul oder zu träge, sich mit neuen Aufgaben zu befassen.
Es seien Leute, die in ihrer Position mit der bekannten Tätigkeit bei stetig steigendem Gehalt und abnehmender Arbeitszeit auf die Pensionierung warten wollten – und überzeugt davon seien, darauf einen Anspruch zu haben. Daher die Opposition gegen jegliche Veränderung.
Die Faulen sagen nicht “Ja, aber …”
Sicher gebe es Mitarbeiter, die Neuem gegenüber kritisch eingestellt seien, sagt Willy Knüsel aus Solothurn. Und der Trainer für Arbeitstechnik schätzt sie, “denn ich selber bin begeisterungsfähig und schiesse schnell los”. Da sei er schon oft froh gewesen über ein “Ja, aber …”.
Daneben gebe es natürlich auch Leute, die faul seien, sich bequem eingerichtet hätten. Aber diese riefen nicht “Ja, aber …”, sondern “Tolle Sache …” – und liessen die tolle Sache dann einfach liegen.
Wenn ständige Neuorganisation nur Lethargie erzeugt
In Neuem sehen viele Menschen vor allem Risiken, hat Walter Gemperle, Coach und Trainer aus Zürich, beobachtet. Das Bekannte und Vertraute hingegen werde als sicher empfunden – also versuche man mit allerlei Einwänden, sich Veränderungen vom Leib zu halten. Zudem werde seit Jahren ununterbrochen reorganisiert – die Mitarbeiter verlieren die Orientierung. Einige kritisieren noch – die “Ja, aber …”-Typen. Andere schweigen resigniert, nicht wenige fallen in eine Art Lethargie.
Und das, obwohl die meisten Menschen etwas leisten wollen und stolz sind, wenn sie zum Erfolg des Unternehmens beitragen, ist Willy Knüsel überzeugt. “Aber sie suchen auch Anerkennung, wollen, dass man sie ernst nimmt.” Und sie wollen nicht ständig daran gehindert werden, ihren Job zu machen – was in projektgetriebenen Organisationen oft der Fall sei.
Die Vernachlässigung der Ressource Zeit
Dann nämlich, wenn nicht mehr das Tagesgeschäft im Mittelpunkt steht, mit dem man schliesslich das Geld verdient, sondern Prozesse optimieren, Kosten senken, neue EDV einführen, Marktanteile gewinnen. Alles gleichzeitig. “So dauern Projekte ewig, und sie kosten viel Zeit”, sagt Knüsel. Zeit, die eigentlich gar nicht zur Verfügung steht, denn: “Die Ressource Geld wird meistens sehr genau angeschaut, die Ressource Zeit hingegen vernachlässigt.”
Vor allem kleinere Projekte würden einfach beschlossen und jemandem aufgepfropft – häufig den besten Mitarbeitern, weil diese leistungsfähig sind, Überstunden machen, manchmal zwar “Ja, aber …” sagen, die Aufgaben aber trotzdem erledigen. Und weil sie nicht den Mut haben, Nein zu sagen. So sind die besten Leute mit vielem beschäftigt und kommen nirgends richtig vorwärts – Frust ist die logische Konsequenz.
Wenn auch die Kritiker schweigen, wird es gefährlich
Dann wird’s gefährlich, warnt auch Walter Gemperle. Wenn jene Mitarbeiter, die mit ihren kritischen Fragen immer genervt haben, wenn diese “Ja, aber …”-Typen plötzlich schweigsamer werden – spätestens dann sollte man genau hinhören. Dann befinde man sich in einer Phase, wo die Stimmung in der Belegschaft schnell kippen könne.
Oft genügen kleine Signale, beispielsweise die Kündigung eines langjährigen Mitarbeiters. Oder das Gerücht, die Firma müsse sparen. Schon steigt die Ungewissheit: Was man bisher als Chance gesehen hat, wird plötzlich zum Problem. Man denkt nicht mehr an Lösungen – man denkt darüber nach, was alles schiefgehen könnte.
Führungsqualität ist gefragt
Willy Knüsel kennt eine weitere Methode, wie man aus motivierten “Ja, aber …”-Sagern lethargische Mitläufer machen kann: Sinn und Zweck eines Projekts und dessen Ziele nicht bekannt geben. Die Kommentare der Mitarbeiter hören sich dann etwa so an: Bringt nichts. Keine Ahnung, wieso wir das tun – reine Beschäftigungstherapie. Oder aber: Nur lange genug liegen lassen, bald kräht kein Hahn mehr danach.
Hier ist Führungsqualität gefragt: Mitarbeiter motivieren, oder? “Die meisten Mitarbeiter sind motiviert”, winkt Knüsel ab. Ironischerweise gelinge es den Chefs aber oft, ihnen die Motivation zu nehmen. Indem sie übermässig kontrollieren etwa, kein Vertrauen haben, keine Wertschätzung zeigen. Mitarbeiter müssen nicht motiviert werden, ist Knüsel überzeugt.
Auch Mahner sind wertvolle Mitarbeiter
“Ganz im Gegenteil: Man darf Leistungen fordern und Ziele vorgeben, muss aber auch Vertrauen schenken und Verantwortung übertragen.” Wem das gelingt, bei dem mutieren “Ja, aber …”-Typen nicht zu Bedenkenträgern und Problemverwaltern. Sie bleiben, was sie sind: wertvolle Mitarbeitende.