Anschreiben, Lebenslauf, Zeugnisse, Arbeitsproben – die klassische Form der Bewerbung hat vielleicht bald ausgedient. Unternehmen testen derzeit die One-Click-Bewerbung: Per Mausklick kann das aktuelle Bewerber-Profil aus Business-Netzwerken in die Datenbank des Wunscharbeitgebers importiert werden. Ein Modell mit Zukunft? Experten sagen ja!
Von Rainer Spies
„Sparen wir uns doch gegenseitig die Mühe“, sagt Marc-Stefan Brodbeck, Leiter Recruiting & Talent Acquisition bei der Deutschen Telekom AG. Mit der App „Jobs&More“ hat der Kommunikationskonzern einen Kurswechsel bei Bewerbungen eingeleitet. Mit nur einem Klick kann hier eine Bewerbung samt XING- oder LinkedIn-Profil über mobile Endgeräte versendet werden. „Wir wollen die Bewerbung so einfach wie möglich machen und den Kandidaten da abholen, wo er sich gerade bewegt“, sagt Brodbeck. Und das nicht nur mit Hilfe der App, sondern auch über die Karriereseite des Unternehmens oder per E-Mail.
Ein Fingerzeig genügt
„Fünf Minuten reichen jeweils aus, um sich bei uns zu bewerben“, sagt Marc-Stefan Brodbeck. Bei einer Bewerbung über die Karriereseite der Deutschen Telekom AG etwa muss ein Kandidat nur wenige Stammdaten selbst anlegen und seinen Lebenslauf anhängen oder auf sein Profil in einem Online-Business-Netzwerk verweisen. „Uns genügt der Fingerzeig eines Bewerbers, dass Interesse besteht“, sagt Marc-Stefan Brodbeck.
One-Click Bewerbung: Kein Platz für Individualität?
„Die Möglichkeit, sich schnell bewerben zu können, wird von den Absolventen begrüsst“, sagt Christoph Skrobol, Ländermanager für den deutschsprachigen Raum beim Beratungs- und Marktforschungsunternehmen Potentialpark (Stockholm). Bewerber störten langwierig auszufüllende Eingabemasken. „Viele Bewerbungsformulare stammen aus einer Zeit, in der der Recruiter im Mittelpunkt stand“, kritisiert Christoph Skrobol.
Soweit, so gut. Doch bleibt insbesondere bei der One-Click Bewerbung nicht ein ganz wesentlicher Punkt auf der Strecke? Die Möglichkeit nämlich, sich individuell darzustellen. Nicht unbedingt, meint Skrobol. Um bei der „One-Click-Bewerbung“ Schnelligkeit und Individualität zu verbinden, muss sie allerdings bestimmten Anforderungen genügen. „Bewerber befürchten, automatisch herausgefiltert zu werden, ohne sich vorher ausreichend präsentieren zu können“, sagt Christoph Skrobol. Er kann sich den zukünftigen Bewerbungsprozess daher als einen mehrstufigen vorstellen, bei dem der schnellen Bewerbung per Mausklick eine individuelle Rückmeldung des Unternehmens folgt.
Mehraufwand für Recruiter
„Der Arbeitgeber kann den Kandidaten um weitere Informationen bitten oder bereits ein erstes Gespräch führen“, sagt Christoph Skrobol. Die „One-Click-Bewerbung“ steht in diesem Sinn für einen Prozess, bei dem der Arbeitgeber den aktiven Teil übernimmt – und mehr Aufwand als gewohnt betreiben muss.
„Jede Bewerbung wird bei uns durch einen Recruiter persönlich gesichtet und geprüft“, sagt Marc-Stefan Brodbeck von der Deutschen Telekom AG. Gerade weil den Kandidaten die schnelle Bewerbung ermöglicht werde, verbiete sich für sein Unternehmen ein automatisiertes Matching. Dafür seien zudem zu viele standardisierte Informationen und jeweils detailliert zu definierende Kriterien nötig.
Ermöglicht die One-Click-Bewerbung eine Bewerbungsflut?
Die Befürchtung, bei der Bewerbung in nur fünf Minuten mit unpassenden Informationen überflutet zu werden, teilt Brodbeck nicht. „Schlechte Bewerbungen konnten schon immer verschickt werden“.
Henrik Zaborowski, Recruiter bei der Management- und IT-Beratung Consileon GmbH (Karlsruhe), sieht das ähnlich. „Wir bekommen relativ wenig passende Initiativbewerbungen“, sagt er. Melde sich hingegen ein Kandidat mit einem interessanten Profil über ein soziales Netzwerk bei ihm, nehme er Kontakt auf. „Für mich stellt die One-Click-Bewerbung nur ein Signal dar“, sagt Henrik Zaborowski.
Neue Freiräume
Das eröffne einem Unternehmen im Übrigen ungewohnte Freiräume. Anders als bei der herkömmlichen Bewerbung, die bei Consileon per E-Mail oder auf dem Postweg möglich ist, verpflichte ein erstes Signal nicht zu einer verbindlichen Reaktion. Ein Unternehmen könne darauf eingehen, müsse aber nicht. Sofern das One-Click-Signal nicht fester Bestandteil des Bewerbungsverfahrens ist, schränkt Henrik Zaborowski ein.
„Das wird zunehmen“, ist Tania Teetz, Produktmanagerin bei milch & zucker, einem Dienstleiter für HR-Marketing und Recruiting-Software in Bad Nauheim, aber überzeugt. Viele Bewerber würden inzwischen kritisch hinterfragen, warum sie ihr Profil manuell in das Online-Formular eines Arbeitgebers eingeben müssten, wenn doch alle relevanten Informationen in einem Netzwerk schon zur Verfügung stünden. (Bild: Istockphoto)