Juristen: Zusatzkenntnisse erleichtern den Einstieg
Die Einstiegschancen für Schweizer Juristen sind gut. Besonders sind sie für Absolventen mit Zusatzqualifikationen.
Arbeitslosigkeit ist für Schweizer Juristen kaum ein Thema. 90 Prozent der Absolventen von juristischen Fakultäten sind Berichten zufolge spätestens ein Jahr nach Studienabschluss ihrer Qualifikation angemessen in das Berufsleben integriert. Im Juni zählte das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) im Bereich Rechtswesen 339 Stellensuchende - zehn mehr, als im selben Monat des Vorjahres. Das entspricht einer Arbeitslosenquote von 0,3 Prozent - weit unter der derzeitigen Quote von 2,7 Prozent insgesamt.
Gute Einstiegschancen über Praktika
Trotz der gerade im Vergleich mit dem Nachbarland Deutschland guten Arbeitsmarktlage - beim deutschen Nachbarn zählen Juristen zu den akademischen Sorgenkindern -, kommt es vor, dass junge Juristen nicht gleich im gewünschten Bereich den Einstieg schaffen. Zumindest wenn es um die für den Einstieg obligatorischen Praktika geht. "Viele suchen den Einstieg bei einem Gericht und müssen Wartezeiten in Kauf nehmen", sagt Peter A. Vollenweider, Geschäftsleiter des Rechtswissenschaftlichen Instituts der Universität Zürich. Auch Praktikumsstellen bei Anwälten sind Vollenweider zufolge dünn gesät. "Die Nachfrage ist größer als das Angebot an Stellen", stellt er fest. Am ehesten bieten seiner Erfahrung nach größere Kanzleien Praktikumsmöglichkeiten an.
So können Jurastudenten in größeren Wirtschaftskanzleien mit Schweizer Heimatbasis, wie etwa Bär & Karrer, die Homburger AG oder Lenz & Staehelin, so genannte Sommerpraktika von sechs Wochen Dauer absolvieren. Absolventen haben nach Lizenziat oder Master die Möglichkeit, ihr 13- bis 14-monatiges Praktikum dort zu machen. Eine gute Gelegenheit, sich für eine spätere Einstellung zu profilieren. "Gerade, wer sich während des Praktikums gut gemacht hat, kommt zurück", erklärt Eric Stupp, Sprecher der Züricher Kanzlei Bär & Karrer.
Besser Master als Bachelor
Im Zuge der Bologna-Hochschulreform wird der bislang herkömmliche Abschluss - das Lizenziat - ersetzt durch Bachelor- und Masterabschlüsse. "Ich erwarte, dass die meisten Juristen dann bis zur Masterstufe gehen werden", sagt Vollenweider. Einen Markt für Bachelorabsolventen sieht er nicht. Schon heute ist es so, dass das - nur für Rechtsanwälte obligatorische - Anwaltsexamen für zahlreiche andere Stellen vorausgesetzt wird. Auch die Grundlage für das Anwaltsexamen, das Anwaltsgesetz, wurde mit der Bologna-Reform zu Jahresbeginn vereinheitlicht. Bis dahin galten 22 verschiedene kantonale Regelungen. Wer als Anwalt in einer Kanzlei tätig werden will, hat Vollenweiders Einschätzung nach gute Einstiegsmöglichkeiten, wenn er sich im Wirtschaftsrecht auskennt. "Gesellschafts- und Vertragsrecht bieten besonders gute Chancen", sagt er.
Manche Sprachkenntnisse gleichen schlechte Noten aus
Zwar ist es in der Schweiz noch nicht wie in Deutschland, wo Juristen ohne Prädikatsexamen auf dem Arbeitsmarkt beim Berufseinstieg kaum Chancen haben. Aber natürlich spielen Noten auch in der Schweiz eine wichtige Rolle. "Schließlich ist es der erste Leistungsausweis", sagt Stupp, "und bei jemandem ohne Berufserfahrung oft der bis dahin einzige", sagt Stupp. Auch wie lange jemand studiert hat, zählt. "Bis zum Lizenziat, also dem ersten Staatsexamen sollte man nicht länger als fünf bis sechs Jahre brauchen", sagt Marc A. Hermann, Mitinhaber der Beratungsgesellschaft Lawyer Consultants in Reinach.
Spezialkenntnisse und vor allem Sprachkenntnisse erleichtern die Stellensuche sehr - zuweilen gleichen sie sogar ein fehlendes Prädikatsexamen aus. Wer mit Chinesisch- oder Russischkenntnissen aufwarte, kann sich sogar eine weniger gute Abschlussnote leisten. Vorausgesetzt natürlich, die Sprache ist für die jeweilige Stelle relevant. "Natürlich sind neben Englisch auch die übrigen Schweizer Landessprachen französisch und italienisch sehr gefragt", berichtet Hermann.
Die Karriere früh planen
Umso wichtiger ist es, schon während des Studiums nicht nur auf die Noten, sondern auch auf sinnvolle Zusatzqualifikationen zu achten. "Jurastudenten sollten sich schon früh fragen, wohin sie wollen", rät Hermann, "und ihren Weg dorthin entsprechend ebnen." Indem sie sich für die Zeit nach dem ersten Staatsexamen das Praktikum gezielt im gewünschten Bereich suchen. "Wenn sie sich für komplexere Fälle interessieren, sollten Sie beispielsweise lieber an einem Gericht der zweiten Instanz ein Praktikum absolvieren", sagt Hermann. Wer in das Strafrecht wolle, für den komme ein Praktikum in einer Untersuchungsbehörde in Frage. Wer Anwalt werden wolle, solle sich bei Kanzleien um Praktika bemühen. Auslandssemester sind grundsätzlich sinnvoll, egal in welchen Bereich ein Jurist gehen will.
Bei Richtern kommt es auch auf das Parteibuch an
Viele Juristen wollen in die Verwaltung. "Trotz eines gewissen Spardrucks findet ein guter Teil der Absolventen hier den Einstieg", sagt Vollenweider. In eine reguläre Position, nicht in ein Praktikum. Welche Anforderungen dabei Polizei, Gesundheits- oder Sozialdirektionen an Absolventen stellen, ist von Kanton zu Kanton unterschiedlich. Wer eine Verwaltungsstelle annehme, um schnell Berufserfahrung zu sammeln und Geld zu verdienen, müsse aber aufpassen, warnt Hermann: "Nach drei Jahren im öffentlichen Dienst ist man für die anderen Bereiche unter Umständen nicht mehr interessant." Der öffentliche Dienst ist sowieso speziell. Wer die Richterlaufbahn einschlagen will, sollte schon beim Einstieg wissen, dass die Stellen in der gesamten Schweiz nach Parteibuch besetzt werden. "Parteilose Richter sind die Ausnahme", sagt Vollenweider. Auch bei Staatsanwälten ist das Parteibuch nicht ganz unwichtig.
Attraktive Einstiegsmöglichkeiten in der Wirtschaft
Dass nur ein kleiner Teil der Juristen den Weg in die Wirtschaft sucht, bedauert Vollenweider sehr. Er selbst ist zunächst als Anwalt im Wirtschaftsrecht eingestiegen, war mal acht Jahre lang in einem Aufzugskonzern für Human Resources zuständig und leitet das rechtswissenschaftliche Institut der Züricher Uni seit nunmehr zehn Jahren. "Hier gibt es vielfältige und attraktive Einstiegsmöglichkeiten", ist er überzeugt.
(Midia Nuri, 2007)
Weiterführende Informationen:
Schweizerischer Juristenverein
http://www.juristentag.ch/
Offizielle Seite der Schweizerischen Berufsberatung mit Infos zu Berufswahl und Laufbahnplanung
http://www.berufsberatung.ch/dyn/1005.asp
Rektorenkonferenz der Schweizer Unis mit umfassenden Informationen rund um Hochschule und Studium
http://www.crus.ch/
Ranking Schweizer Hochschulen - Rechtsfakultäten zuletzt 2005 gerankt
http://www.swissupranking.com/
Perspektiven - Schweizer Magazin zur Studien- und Berufswahl
http://www.perspektiven.ch/index.htm
Links zum Thema Rechtswissenschaften der Zeitschrift Perspektiven
http://www.perspektiven.ch/inhalt/01_links.asp?ID=227
Schweizerischer Verband für Studien- und Laufbahnberatung
http://www.agab.ch/
Juristisches Stellensuchportal (Monster-Koop)
http://jobsuche.weblaw.monster.ch/jobsearch.asp?vw=b&fn=7&lid=160
http://www.weblaw.ch/de/
Europäischer Anwaltsverein
http://www.uae.lu/system/
Schweizerischer Anwaltsverband
http://www.swisslawyers.com/