Whistleblower - die Rechtslage

von Monster Contributor

Missstände aufdecken oder gar öffentlich anprangern, das ist risikoreich. Sogenannte Whistleblower sind nach Schweizer Recht schlecht gestellt. Wer es dennoch tut, sollte überlegt vorgehen.

Von Vera Sohmer

Tatenlos zusehen, wie die Kollegen stundenlang telefonisch nicht erreichbar sind und stattdessen Schmuddelkram aus dem Internet herunterladen? Ignorieren, dass der neue Chef Sicherheitsvorschriften in der Werkstatt unterläuft? Und was ist mit den Hinweisen, dass der lukrative Grossauftrag nur deshalb reinkam, weil Schmiergelder geflossen sind?

Whistleblower haben schweren Stand

Der gesunde Menschenverstand sagt: So etwas kann man nicht hinnehmen. Schliesslich ist es illegal und unethisch. Und steht im krassen Widerspruch zu den edlen Leitlinien, nach denen die Firma angeblich handeln will. Also muss die Geschäftsleitung doch ein Interesse daran haben, dass derlei Dinge aufgedeckt werden. Und sich schützend vor jene Mitarbeiter stellen, die darauf gestossen sind.

So weit das Ideal. Die Realität ist eine andere: Whistleblower haben in der Schweiz einen schweren Stand. Deren Schutz fehlt noch im Schweizer Recht, sagt Arbeitsrechtler Wolfgang Seger. Und oft werden sie für ihre Handlungen sogar bestraft, heisst es beim gemeinnützigen Verein Transparency International Schweiz, der im Kampf gegen Korruption auf Whistleblower angewiesen ist.

Manche Unternehmen setzen auf Whistleblower-Policies

Wer Missstände anprangert, sieht sich Schikanen und Mobbing ausgesetzt, geht das Risiko von Schadenersatzforderungen ein, wird wegen Verletzung der Treuepflicht strafrechtlich verurteilt. Und oft setzen jene, die etwas ausplaudern, ihre Karriere und ihre Existenz aufs Spiel.

Allerdings gibt es Firmen, wie beispielsweise UBS, die interne Verfahren - sogenannte Whistleblowing-Policies - entwickelt haben, die auch anonym genutzt werden können, so die Neue Zürcher Zeitung. Die Post hat mit der Webseite Post Courage einen anonyme Meldestelle für Wirtschaftsdelikte geschaffen.

Rechtsschutz fehlt noch

Dennoch: Whistleblowerhaben schon den Job verloren. Kann bewiesen werden, dass die Kündigung missbräuchlich war, lässt sich zwar ein Schadenersatz von maximal sechs Monatslöhnen einfordern. Nach Segers Angaben übersteigt diese Entschädigung aber selten zwei Monatslöhne, was mit Müh und Not die Anwaltskosten decken dürfte.

Gefordert wird daher, Whistleblower in der Schweiz besser zu stellen. Dazu gehören ein verbesserter Kündigungsschutz und Anlaufstellen, die den Informanten Anonymität garantieren. Jene, die es heute auch so wagen, sollten sich das hohe Risiko klar machen und Regeln einhalten.

Tipps für Whistleblower

- Beraten Sie sich mit Menschen, denen Sie vertrauen. Überlegen Sie, ob das, was auf einen Whistleblower zukommt, für Sie, Ihre Familie und Ihr näheres Umfeld zumutbar ist.

- Entscheiden Sie, wie weit Sie gehen und wo Sie eine Grenze ziehen wollen.

- Fragen Sie sich: Was möchte ich beruflich erreichen? Wie gross wird das Risiko sein, dass man mich entlässt? Verbaue ich mir meine Berufschancen, wenn ich den Missstand den Medien melde?

- Dokumentieren Sie Ihre Beobachtungen, führen Sie ein Tagebuch, in das Sie Ihre Aktivitäten und Meldungen eintragen.

- Niemals Firmencomputer, -mails oder –telefone benutzen. Die Daten können gespeichert und gegen Sie verwendet werden.

- Überlegen Sie, ob Sie angreifbar sind. Ist in Ihrem Berufsleben etwas vorgekommen, dass man gegen Sie verwenden könnte?

- Suchen Sie sich in Ihrer Firma Verbündete. Haben auch andere jene Missstände wahrgenommen, die Ihnen aufgefallen sind? Gibt es Mitwisser, die sich Ihnen anschliessen können? Jemanden, dem Sie etwas anvertrauen können und der Sie unterstützt? In der Gruppe ist es einfacher für Ihr Anliegen zu kämpfen.

- Halten Sie jene Reihenfolge ein, die der Rechtsprechung nach gilt: Was Ihnen aufgefallen ist, müssen Sie zuerst intern melden. Lassen Sie sich Ihre Meldung schriftlich bestätigen. Reagiert der Arbeitgeber nicht innert angemessener Frist, können Sie die zuständige Behörde informieren. Als letztes Druckmittel bleiben die Medien.

- Fairness ist oberstes Gebot. "Versuchen Sie, auch wenn Sie unfair behandelt werden, sachlich zu bleiben und vermeiden Sie provokative Formulieren", heisst es im Whistleblower-Leitfaden von Transparency International Schweiz. Wichtig auch: Keine falschen Anschuldigungen machen, die später gegen einen verwendet werden könnten, beispielsweise Ehrverletzungen.

Weitere Informationen und Beratung
www.transparency.ch