Verwarnung: Arbeiten auf Bewährung
Aus dem Weisungsrecht des Arbeitgebers ergibt das Recht, bei nicht eingehaltenen Weisungen Verwarnungen auszusprechen. Verwarnungen müssen die konkreten Pflichtverletzung und die angedrohten Konsequenzen klar benennen. Schikanöse und willkürliche Verwarnungen sind nicht zulässig.
Vorab soviel: Die rechtliche Bedeutung der Verwarnung ist im schweizerischen Arbeitsrecht kaum untersucht. Eine Gerichtspraxis besteht lediglich im Zusammenhang mit fristlosen Kündigungen. Darauf wird vertieft eingegangen, vorgängig folgen ein paar allgemeine Ausführungen zur Verwarnung (Abmahnung) und ihrer Bedeutung.
Die Grundlage in Art. 321d OR
Im Arbeitsvertragsrecht finden sich keine Normen, die sich ausdrücklich zur Verwarnen äussern. Das Recht des Arbeitgebers, Verweise und Verwarnungen auszusprechen, ergibt sich indes aus dem in Art. 321d OR festgehaltenen Weisungsrecht. Danach kann der Arbeitgeber über die Ausführung der Arbeit und über das Verhalten der Arbeitnehmer im Betrieb allgemeine Anordnungen erlassen und besondere Weisungen erteilen. Die Arbeitnehmenden haben die rechtmässigen Weisungen des Arbeitgebers aufgrund ihrer Treuepflicht (Art. 321a OR) zu befolgen.
Werden rechtmässige Weisungen nicht eingehalten, muss der Arbeitgeber angemessen darauf reagieren können. Verweise und Verwarnungen stellen eine mögliche Reaktion dar. Mit einem Verweis drückt der Arbeitgeber seine Missbilligung eines bestimmten Verhaltens aus, ohne dass damit bereits Konsequenzen für künftiges Verhalten angedroht werden. Die Verwarnung geht weiter. Hier rügt der Arbeitgeber ein bestimmtes Verhalten und er droht bestimmte Konsequenzen an.
Anforderungen an eine Verwarnung
Die Schranken des Weisungsrechts des Arbeitgebers gelten auch für Verwarnungen. Diese dürfen nicht schikanös sein und dürfen nicht willkürlich nur einzelne Arbeitnehmende betreffen (obwohl zum Beispiel mehrere oder alle Arbeitnehmende sich eine bestimmte Pflichtverletzung haben zu Schulden lassen kommen).
Aus der Verwarnung muss klar hervorgehen, welches Verhalten des Arbeitnehmers missbilligt wird. Die Konsequenzen der erneuten Pflichtverletzung müssen ebenfalls präzise festgehalten werden. Aus Beweisgründen ist eine Verwarnung unbedingt schriftlich zu erlassen.
Die Verwarnung als Voraussetzung einer fristlosen Kündigung
Nach Art. 337 OR kann das Arbeitsverhältnis auch wichtigen Gründen sowohl durch den Arbeitgeber wie durch den Arbeitnehmer fristlos aufgelöst werden. Wichtige Gründe liegen unter anderem bei Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers vor. Nach der Gerichtspraxis rechtfertigen lediglich schwere Verfehlungen des Arbeitnehmers eine fristlose Entlassung. Bei weniger schweren Verletzungen muss vor der fristlosen Entlassung eine Verwarnung ausgesprochen werden.
Aus der Verwarnung muss klar hervorgehen, welche Verhaltensweisen nicht mehr toleriert werden. Für den Arbeitnehmer muss erkennbar sein, dass er im Wiederholungsfall die ausserordentliche Kündigung riskiert.
Zu beachten gilt: Die angedrohten Konsequenzen, zum Beispiel die fristlose Kündigung, darf nur umgesetzt werden, wenn das genau das fragliche Fehlverhalten wieder auftritt. Wer wegen "zu spät Kommen" verwarnt ist, dem darf nicht wegen unsorgfältigen Umgangs mit Material fristlos gekündigt werden. Für dieses Fehlverhalten ist ebenfalls eine Verwarnung auszusprechen.
Prof. Dr. iur. Kurt Pärli
ist Dozent und Forscher an der Zürcher Hochschule
Winterthur, Institut für Wirtschaftsrecht,
Zentrum für Arbeits- und Sozialversicherungsrecht
(www.zar.zhaw.ch).