Die Schweiz ist (noch) kein Ferienparadies

von Monster Contributor

Die Schweiz bietet eine generell hohe Lebensqualität. Allerdings haben Schweizer Arbeitnehmer keine besonders langen Ferien. Immerhin bewegt sich nun einiges in dieser Richtung.

Der gesetzliche Ferienanspruch in der Schweiz beträgt vier Wochen, wer weniger als 20 Jahre alt ist dem stehen fünf Wochen zu. Zahlreiche Beschäftigte profitieren allerdings von grosszügigeren gesamtarbeitsvertraglichen oder firmenspezifischen Regelungen, die deutlich über das gesetzliche Minimum hinausgehen und oftmals fünf Wochen Ferien für das Gros der Belegschaft vorsehen. Generell besser gestellt sind meistens Mitglieder des Kaders, die sechs Wochen Ferien geniessen dürfen oder ältere Arbeitnehmer über 50, die mit der gleichen Zahl Ferientage beglückt werden. Zu den Ferien hinzu kommen noch verschiedene arbeitsfreie Feiertage, und auch in der Schweiz werden eifrig Brücken zwischen diesen gebaut, um eine zusammenhängende Erholungsfrist zu gewinnen.

Fünf Wochen haben, sechs Wochen wollen

Vor allem grosse Firmen praktizieren vergleichsweise grosszügige und über das gesetzliche Minimum hinaus gehende Ferienregelungen. Beispielsweise der Grossverteiler Coop. Der seit Anfang 2008 gültige GAV legt die Ferienansprüche wie folgt fest: Lernende haben Anspruch auf 6 Wochen Ferien, Angestellte bis ins 49 Altersjahr erhalten 5 Wochen. Ab den 50 Altersjahr gibt es 6 und ab dem 60 Altersjahr schliesslich 7 Wochen. Wer älter ist als 63 bezieht sogar 8 Wochen Ferien. Da ist man schon ein Stück weiter als viele andere. Karl Weisskopf von der Coop-Medienstelle spricht von einer „sehr guten Regelung“, mit der die Angestellten auch sehr zufrieden seien, "aber natürlich würde jeder gerne noch mehr Ferien haben."

Mehr Ferien für alle – das möchte auch der Gewerkschafts-Dachverband Travailsuisse. Er hat eine Volksinitiative lanciert, die sechs Wochen Ferien für alle Arbeitnehmer fordert. Für Travailsuisse-Präsident Hugo Fasel wäre diese Aufstockung eine höchst wünschenswerte "Investition in die Lebensqualität". Da die Arbeitsprozesse in einer globalisierten Wirtschaft immer hektischer und anspruchsvoller werden, erhalten die Auszeiten für Erholung und Entspannung immer mehr Gewicht. Die Initiative möchte auch die in Sachen Ferienregelung bestehenden grossen und wenig gerechten Unterschiede zwischen den Branchen aufheben. Mehr Ferien, das ist zweifellos angenehm, aber es führt auch zu einer stärkeren finanziellen Belastung der Unternehmen. Für den Arbeitgeberverband hingegen wäre ein weiterer Anstieg der bereits hohen schweizerischen Arbeitskosten ein „falsches Signal“: Damit schade man der Wettbewerbsfähigkeit des Arbeitsstandorts Schweiz.

Ferien für Väter setzen sich durch

Ein ähnliches Bild, mit Unterschieden zwischen Wunsch und Wirklichkeit, zeichnet sich in Sachen Vaterschaftsurlaub ab. Immerhin hat die Schweiz vor einigen Jahren überhaupt den Mutterschaftsurlaub eingeführt. Nun gibt es zunehmend auch für frisch gebackene Väter eine längere Auszeit. Das geltende Gesetz sieht nämlich nur einen freien Tag vor. Doch zahlreiche Unternehmen und sogar die Bundesverwaltung gewähren auf freiwilliger Ebene mehr. Eine Woche gibt’s bei Coop und bei Novartis, zwei bei der Migros. Die Stadt Winterthur hat den Vaterschaftsurlaub anfangs Jahr markant angehoben: von drei auf zehn Tage. Auch bei Swisscom, Swiss Re und Zürich-Versicherung ist Vaterschaftsurlaub kein Fremdwort. Die Bundesverwaltung lässt frisch gebackene Väter seit Anfang 2008 innerhalb der ersten sechs Monate nach der Geburt fünf Tage extra frei nehmen.

Damit folgen die Arbeitgeber den Wünschen der Bevölkerung: Umfragen haben ergeben, dass rund 80 Prozent der Schweizer und Schweizerinnen den Vaterschaftsurlaub befürworten. Die Grüne Nationalrätin Franziska Teuscher (Bern) hat zudem eine Initiative lanciert, die einen Vaterschaftsurlaub von mindestens acht Wochen für Arbeitnehmer und Selbständigerwerbende fordert, die bei der Geburt eines Kindes Betreuungsaufgaben übernehmen. Dies, so Teuscher, sei nötig, damit Mütter und Väter ihre Elternrolle partnerschaftlich gestalten können. Die nationalrätliche Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit ist da anderer Meinung: Sie hat diesen Vorstoss kürzlich mit 15 zu 8 Stimmen bachab geschickt.

(Adrian Müller)