Unerlaubte Arbeitgeberfragen
Arbeitgeber stellen im Bewerbungsgespräch Fragen, die für die Eignung einer konkreten Stelle relevant sind. Kandidaten sollten diese wahrheitsgemäß beantworten. Dies ist bei unberechtigten Arbeitgeberfragen anders, die Bewerber auch falsch beantworten dürfen.
Darf sich der Arbeitgeber im Bewerbungsgespräch oder durch einen Fragebogen nach einer Schwangerschaft erkundigen? Müssen Fragen nach Vorstrafen, nach sexuellen Neigungen, Gesundheitszustand, politischen Ansichten oder Glaubensbekenntnissen beantwortet werden? Für die richtige Besetzung der Stelle ist der Arbeitgeber auf möglichst umfassende Informationen über die Interessenten angewiesen. Jedoch sind der Neugierde der Arbeitgeber durch das Recht Grenzen gesetzt.
Zulässig sind alle stellenrelevanten Fragen
Als wichtigster Grundsatz des Datenschutzes gilt: Der Arbeitgeber hat nur Anspruch auf die Informationen, die für die konkret zu besetzende Stelle relevant sind. Standardisierte Fragebogen für alle Funktionen eines Betriebes sind nicht zulässig. Denn für eine dreimonatige Aushilfsstelle gelten andere Anforderungen als für die Besetzung von Führungsstellen oder solchen, die eine lange Einarbeitungszeit erfordern.
Das Wissen um Vorstrafen wegen Veruntreuung ist für eine Tätigkeit als Buchhalterin relevant. Keine Rolle spielt dies für eine Stelle als Hilfschauffeur oder Magaziner. Erfordert die Ausübung der Tätigkeit eine robuste Gesundheit, etwa im Baugewerbe, haben Fragen nach der physischen Belastbarkeit einen Arbeitsplatzbezug und sind erlaubt.
Allgemeine Informationen über Krankheiten, Alkohol- und Drogenabhängigkeiten, psychiatrische Behandlungen stehen dem künftigen Arbeitgeber indes nicht zu. Es sei denn, diese Probleme würden sich auf die aktuelle Arbeitsfähigkeit für die zu besetzende Stelle auswirken. Anders als eine Privatversicherung darf der Arbeitgeber nicht Gesundheitsinformation zur Einschätzung eines mittel- und langfristigen Risikos beschaffen.
Fragen nach sexuellen Vorlieben sind nicht erlaubt
Keinen Arbeitsplatzbezug weisen in der Regel die sexuelle Präferenz oder das Glaubensbekenntnis auf. Entsprechende Fragen sind ebenso unzulässig wie solche nach politischen Ansichten oder der Gewerkschaftsmitgliedschaft. Etwas anders verhält es sich in so genannten Tendenzbetrieben. Das sind Betriebe oder Institutionen, die sich politisch oder gesellschaftlich für bestimmte Ziele und Werte einsetzen.
Hier darf der Arbeitgeber eine gewisse Übereinstimmung der Mitarbeitenden, besonders der Kader, mit den weltanschaulichen Zielen der Organisation erwarten. In diesen Fällen sind solche ansonsten eher "heiklen" Fragen zulässig - ein Arbeitsplatzbezug liegt vor.
Besonders brisant sind Fragen nach einer schon bestehenden oder geplanten Schwangerschaft und nach familiären Verpflichtungen. Eine Schwangerschaft kann sich auf die Arbeitsfähigkeit auswirken und der absehbare Schwangerschaftsurlaub verursacht Stellvertretungsaufwand. Trotzdem sind Fragen nach Schwangerschaft und Familienplanung unzulässig. Solche Fragen zielen darauf ab, eine schwangere Kandidatin nicht zu wählen oder familiäre Verpflichtungen zum Anlass einer Absage zu machen. Es liegt somit ein Verstoss gegen das für alle Arbeitsverhältnisse geltende Gleichstellungsgesetz aufgrund des Geschlechts vor.
Auskunfts- und Mitteilungspflichten
Im Bewerbungsverfahren gilt noch nicht Vertragsrecht. Arbeitgeber und Stellenbewerbende schulden einander rechtlich verbindlich ein Verhalten nach Treu und Glauben. Daraus ergeben sich Auskunfts- und Mitteilungspflichten: Die Fragen des Arbeitgebers, die einen Arbeitsplatzbezug aufweisen, müssen wahrheitsgemäss beantwortet werden. Gleiches gilt für Fragen, die Stellenbewerbende an die Arbeitgeber stellen.
Die Mitteilungspflicht schreibt vor, dass Stellenbewerbende die künftigen Arbeitgeber von sich aus über Aspekte informieren müssen, die einen Arbeitsplatzbezug aufweisen. Ein Beispiel: Steht ein Kandidat für eine Vertrauensstelle unter Verdacht, ein schweres Verbrechen begangen zu haben, muss er den Arbeitgeber von sich aus darüber informieren. Ein Strafuntersuchungsverfahren ist sehr belastend und wirkt sich womöglich auf die Arbeitsfähigkeit aus. Der Arbeitgeber soll wissen, ob er bereit ist, dieses Risiko auf sich zu nehmen.
Unberechtigtes Lügen und Schweigen - Notwehrrecht der Lüge
Eine arbeitsplatzrelevante Information zu verschweigen oder eine zulässige Frage falsch zu beantworten, hat Folgen. Entdeckt der Arbeitgeber später die Lüge oder nimmt er Kenntnis von der unterschlagenen Information, kann er das Arbeitsverhältnis fristlos künden. Hat das Arbeitsverhältnis noch gar nicht begonnen, kann er vom Vertrag zurücktreten und Schadenersatz einfordern.
Wie kann sich der Arbeitnehmer gegen unzulässige Arbeitgeberfragen zur Wehr setzen? Zu weitgehende Fragen müssen nicht beantwortet werden. Angesichts des Machtgefälles im Bewerbungsverfahren ist der Hinweis an den Arbeitgeber, eine bestimmte Frage wäre unzulässig, realitätsfern. Rechtslehre und Praxis anerkennen deshalb in solchen Situationen ein so genanntes Notwehrrecht der Lüge. Das heisst, stellt der Arbeitgeber eine klar unzulässige Frage, etwa "Sind Sie HIV-Positiv?", darf der Bewerber mangels wirksamer Alternative die Frage wahrheitswidrig beantworten.
(Prof. Dr. Kurt Pärli, 23.11.2006)
Prof. Dr. iur. Kurt Pärli
ist Dozent und Forscher an der Zürcher Hochschule
Winterthur, Institut für Wirtschaftsrecht,
Zentrum für Arbeits- und Sozialversicherungsrecht
(www.zar.zhwin.ch).