Titel: Wie wichtig ist der Doktor für die Karriere?
Selbst Topmanager haben sich schon mit gefälschten oder nicht anerkannten Abschlüssen geschmückt. Gründe sind Eitelkeit, aber auch die gängige Rekrutierungspraxis. Doch sind Diplome und Doktortitel wirklich so wichtig für die Karriere?
Von Vera Sohmer
Yahoo-Chef Scott Thompson hat geblufft. Dass er einen Bachelor-Abschluss in Computerwissenschaften hat, ist schlicht und ergreifend gelogen. Das mag man verwerflich finden, Tatsache aber ist: Was angebliche oder erschlichene Doktortitel in Top-Positionen betrifft, ist Thompson in guter Gesellschaft.
Topleute lieben Titel
Allen voran der deutsche Ex-Minister Karl-Theodor zu Guttenberg, der sich das Material für seine Doktorarbeit seitenweise zusammengeklaut hat. Noch mehr Beispiele: Thomas Kühr, Ex-Chef der Telekom-Tochter T-Venture, kaufte sich seinen Doktortitel bei einer dubiosen Schweizer Briefkasten-Uni. Und Udo Klein-Bölting, Geschäftsführer der Management-Beratung Batten & Company, war selbst offenbar schlecht beraten: Er erwarb einen Abschluss an der "Freien Universität Teufen". Diese ist bekannt dafür, akademische Grade gegen Bezahlung zu verteilen – eine "Titelmühle". Die Leistung der Studenten spielt dabei keine Rolle.
Lesetipp: Bewerbung - Erfolg auch ohne Titel
Warum sind Topleute süchtig nach Titeln? Mit Eitelkeit habe es zu tun, sagte die deutsche Professorin für Internationale Medieninformatik, Debora Weber-Wulff, gegenüber dem manager magazin. Vor allem bei der internationalen Wirtschaftselite werde viel auf den Doktortitel gegeben. Von Zierdiplomen spricht Consultant Kurt Weissen. Titel sollen als Statussymbole zu mehr Ansehen verhelfen.
Andere Länder, andere Sitten
Wie hoch sie gewichtet werden, komme allerdings auf den Kulturkreis an. Im angelsächsischen und französischen Raum spielen Titel keine so grosse Rolle mehr. Auch in der Deutschschweiz haben sie zum Teil an Bedeutung verloren. Deutschland und Österreich hingegen hinken dieser Entwicklung hinterher. Der Herr Magister lässt grüssen.
Die Wichtigkeit des akademischen Grades hängt nach Angaben von Kurt Weissen auch von der Erfahrung und den Vorurteilen der Vorgesetzten ab. Eine promovierte Chefin will vielleicht promovierte Mitarbeiter, weil das ihre Abteilung aufwertet oder sie zu Nicht-Akademikern keinen Draht findet. Ein anderer Chef hingegen sucht sich bewusst Mitarbeiter ohne Doktortitel, weil dies seine eigene Position weniger in Frage stellt. Oder weil er sich klar von seinen Angestellten distanzieren will.
Ein MBA macht noch keinen guten Manager
Fachleute fordern indessen mehr Umsicht beim Rekrutieren von Führungskräften: Vielerorts sei man noch immer auf bestimmte Diplome und Titel fixiert. Der MBA beispielsweise werde hochstilisiert. Deshalb macht den Abschluss mancher Kandidat, obwohl er für den angestrebten Job auch so qualifiziert wäre. Und längst nicht jede Schule erfüllt die Qualitätskriterien. Eine teuer erworbene Eintrittskarte, die manchmal nur dazu dient, die Hürde zum Vorstellungsgespräch zu nehmen.
Und tatsächlich werden Kandidaten mit wohlklingenden Titeln oft bevorzugt. Einer der Gründe: Bei Hunderten von Bewerbern auf eine begehrte Stelle muss aussortiert werden. Und es ist naheliegend, sich an Kriterien wie Ausbildung, Werdegang und Abschlüsse zu halten.
Headhunter schauen nicht nur auf den Titel
Headhunter und Karriereberater widersprechen jedoch der Annahme, dass Bewerberinnen und Bewerber ohne Titel von vorneherein durchs Raster fallen. Und erst recht, dass sie für bestimmte Positionen ungeeignet seien. Denn: Viel mehr als auf die Papierqualifikation kommt es auf Softskills an. Scheitert eine Führungskraft, liegt es selten am Fachwissen. Neun von zehn zeigen Schwächen oder Unvermögen in Disziplinen wie Führungsverantwortung, Vorbildfunktion, Konsequenz oder Konfliktfähigkeit.
Herauszufinden, ob jemand Softskills besitzt, ist allerdings schwierig. Schwieriger jedenfalls, als in einer Gegenüberstellungs-Matrix Alter und Berufsjahre abzuhaken. Und Titel oder Diplome. Bei KPMG Schweiz plädiert man deshalb dafür, Kandidaten umfassend zu beurteilen, sich also auch die Erfolge in der Praxis und das Engagement ausserhalb des Berufs anzuschauen. Liege dann noch ein aussagekräftiges, am besten uncodiertes Arbeitszeugnis vor und fügt sich dies mit Bewerbungsschreiben, Referenzen und dem persönlichen Eindruck zu einem stimmigen Gesamtbild, kommt der Bewerber authentisch rüber. Und dies ist ausschlaggebend, nicht der akademische Grad. Erst recht, wenn dessen Herkunft oder Wert zweifelhaft ist.