Temporärarbeit: Vorteile und Nachteile

von Monster Contributor

Temporärarbeit bietet Abwechslung und Ungebundenheit. Allerdings drohen auch Nachteile wie ein erschwerter Zugang zur betrieblichen Weiterbildung. Wichtiger wird Temporärarbeit auf jeden Fall.

Temporärarbeit wird in der Schweiz immer wichtiger: Von 1993 bis 2008 vervierfachte sich die Zahl der Temporärarbeitenden auf über 280'000. Gerade jungen Menschen, die sich beruflich noch nicht festlegen möchten, bieten Temporärjobs die gewünschte Flexibilität.

Gemischte Gefühle

Wichtige Gründe für Temporärarbeit sind laut Branchenverband Swissstaffing denn auch die Möglichkeit, Zeitpunkt und Dauer des Arbeitseinsatzes frei wählen zu können sowie die Chance, Temporärarbeit mit anderen Tätigkeiten zu kombinieren. Hinzu kommt das Bedürfnis nach Abwechslung.

Trotz dieser Pluspunkte verfolgen die Arbeitnehmervertreter die Zunahme der Temporärarbeit mit gemischten Gefühlen: «Die Firmen nutzen diese Beschäftigunsform, um kurzfristige Personal-Engpässe zu beseitigen, ohne sich langfristig an die Arbeitnehmenden zu binden», moniert Mattia Mandaglio, Gewerkschaftsfunktionär der Unia Region Zentralschweiz: «Im Krisenjahr 2009 verschlankten viele Betriebe ihre Belegschaften. In der gegenwärtigen Erholungsphase werden sie zunächst kein zusätzliches Personal fest anstellen. Deshalb ist in nächster Zeit ein noch grösseres Wachstum der Leiharbeit zu erwarten.»

Vermittlung von Feststellen sinkt

In der Tat befindet sich die Temporärarbeit nach einem kurzen Einbruch im letzten Jahr bereits wieder stark im Aufwind. Sie legte im August 2010 gegenüber dem Vorjahresmonat um 18 Prozent zu und erreichte damit das höchste August-Niveau aller Zeiten. Die Gründe für den Boom sieht das Staatssekretariat für Wirtschaft Seco nebst der steigenden Nachfrage nach flexibel einsetzbaren Arbeitskräften auch in der Einschränkung der Rekrutierung von Saisonarbeitskräften ausserhalb der EU sowie in der Einführung der Personenfreizügigkeit mit der EU.

«Grenzgänger, Kurzaufenthalterinnen sowie meldepflichtige Kurzaufenthalter unter 90 Tagen nutzen häufig den Personalverleih, um in der Schweiz zu arbeiten», erklärt Seco-Sprecherin Rita Baldegger. Deutlich schlechter geworden sind dagegen die Perspektiven, via Jobvermittlung zu einer Dauerstelle zu gelangen. Die Zahl der so vermittelten Feststellen sank von 180'000 im Jahr 2000 auf noch 110'000 im Jahr 2009.

Benachteiligung bei Weiterbildung

Wer nicht Unabhängigkeit und Abwechslung sucht, sondern via Jobvermittlung zu einer Feststelle kommen will, muss somit aufpassen, dass er nicht in eine so genannte Drehtür-Situation hineinrutscht: «Immer mehr Temporärarbeitende bekommen nur noch kurze Engagements ohne Perspektive auf eine Festanstellung», meint Gewerkschafter Mandaglio. Dieses Hin und Her zwischen Temporäreinsatz und Arbeitslosigkeit könne jahrelang dauern.

Mandaglio unterscheidet deshalb zwischen der festangestellten Kernbelegschaft und der bloss temporär arbeitenden Randbelegschaft: «Die Temporärarbeitenden verfügen tendenziell über schlechtere Arbeitsbedingungen, tiefere Löhne, geringere Karrieremöglichkeiten und weniger Weiterbildungsmöglichkeiten als ihre fest angestellten Kollegen.» Insbesondere die Teilnahme an innerbetrieblichen Weiterbildungskursen wäre ein entscheidender Schritt in Richtung Festanstellung, betont Mandaglio und rät den Betroffenen, mit der nötigen Hartnäckigkeit auf die Teilnahme an Kursen zu drängen.

Die grossen Temporärvermittler wie Adecco Switzerland sind sich dieser Problematik durchaus bewusst: «Unsere externen Mitarbeitenden erhalten je nach Branche und Berufsfeld massgeschneiderte Schulungen, die sie auf einen bestimmten Einsatz vorbereiten. Dadurch stellen wir sicher, dass sie über das nötige Know-how für ihren Einsatz verfügen», erklärt Adecco-Sprecher José M. San José.

Unfallrisiko im Auge behalten

Dieses spezifische Können ist nicht zuletzt aus Gründen der Arbeitssicherheit wichtig. Auch hier melden die Gewerkschaften Bedenken an. Zwar sei die Datenlage dürftig, räumt Mattia Mandaglio ein, doch aus den Daten der Sammelstelle für die Statistik der Unfallversicherung und aus einer Umfrage der Gewerkschaft Unia im Bausektor liessen sich zwei wichtige Schlussfolgerungen ableiten: «Erstens erleiden Temporärarbeitende in der Schweiz mehr Berufsunfälle als Festangestellte.

Und zweitens sind sie im Baugewerbe auch ein Risikofaktor für die anderen Arbeitnehmenden.» Der Grund sei, dass Temporärarbeitende die üblichen betrieblichen Arbeitsabläufe oft schlecht kennten. Damit steige die Unfallgefahr – sowohl für die Temporärabeitenden selbst als auch für alle anderen, die mit ihnen zusammenarbeiten. Bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt Suva teilt man diese Einschätzung: «Die Praxis zeigt, dass beim Einsatz von Temporärarbeitenden oft Unklarheiten bestehen und Sorglosigkeit vorherrscht. Entsprechend hoch ist das Unfallrisiko für Temporärarbeitende auf dem Bau», bestätigt Sprecherin Helene Fleischlin. Aus diesem Grund habe die Suva eine Sensibilisierungskampagne durchgeführt, die den Verantwortlichen zeigt, welche Spielregeln eingehalten werden müssen.

Gewerkschaft stärkt den Rücken

Neben der Arbeitssicherheit beeinträchtigt die schwache Bindung der Temporärarbeitenden an den Arbeitsplatz auch den Aufbau sozialer Beziehungen, wie Mattia Mandaglio erläutert: «Atomisierte Arbeitskräfte verfügen über weniger Verhandlungsmacht gegenüber dem Arbeitgeber.» Deshalb falle es den Firmen relativ leicht, den Temporärarbeitenden ungünstige Bedingungen aufzuzwingen. Als Gegenmassnahme empfiehlt Mandaglio den Beitritt zu einer Gewerkschaft: «Damit können Temporärarbeitende ihre Ansprüche besser durchsetzen.»

(Elias Kopf, 2010)