Stresstest für das Betriebsklima

von Monster Contributor

Wird das Wirschaftsumfeld ruppiger, kann sich das schnell aufs Betriebsklima auswirken – ein Stresstest für Führungskräfte und Mitarbeiter. Tipps gegen Ellbögeleien, diffuse Ängste und hängende Köpfe.

Der beste Freund und liebste Arbeitskollege hat urplötzlich keine Zeit mehr, zeigt die kalte Schulter und schleimt beim Abteilungsleiter – wenn's eng wird, lernt man die Menschen kennen. Und den Zustand einer Organisation, eines Unternehmens:

  • Funktioniert es wirklich so gut, wie man es zu wissen glaubte?
  • Ist das Vertrauen in die Führungskräfte tatsächlich so gross?
  • Ist das Arbeitsklima wirklich so gut, wie es an Meetings oder bei Feiern den Anschein gemacht hatte

Eine Krise macht die Organisation oder das Unternehmen nicht schlechter – aber sie deckt auf, was sich angesammelt hat unter dem wohligen Deckmantel ruhiger Zeiten. Und sie ist ein Stresstest für das Betriebsklima.

Insider-Outsider-Theorie

Denn: "Wird der "courant normal" gestört, etwa durch einen massiven Auftragseinbruch, führt das zu Frustrationen", sagt Andreas Kühn, Geschäftsführer know.ch in St. Gallen, die unter anderem Betriebsklima-Analysen anbietet. "Das geht an die Nerven – und dann brechen die unterschwelligen Konflikte aus."

Was dazu führen könne, dass sich in der Belegschaft Gruppen bilden: Die fest im Sattel sitzenden auf der einen Seite, potenzielle Kandidaten für einen erwarteten oder angekündigten Stellenabbau auf der anderen – Insider-Outsider-Theorie genannt. Danach finde eine Entsolidarisierung statt. "Die Insider haben in der Regel mehr Macht, halten stärker zusammen und sorgen dafür, dass die anderen draussen bleiben."

Negative Schlagzeilen bedrohen die Motivation

"Unsere Mitarbeiterbefragungen zeigen, dass die Angst um den Arbeitsplatz nur in jenen Unternehmen markant ansteigt, wo effektiv Entlassungen drohen", sagt Heidi Blanken, Managing Partner von ValueQuest in Wädenswil. Die Stimmung unter den Mitarbeitenden hänge direkt mit der Situation des Betriebes zusammen: Negative Schlagzeilen über die Firma beispielsweise führten häufig zu einem Einbruch der Motivation. Die allgemeine Wirtschaftslage hingegen spiele eine untergeordnete Rolle. "Einen generellen Abwärtstrend in der Befindlichkeit der Mitarbeitenden haben wir bisher nicht festgestellt", sagt Heidi Blanken.

Urs Tschanz, Geschäftsführer der Personalentwicklungsfirma Diacova in Bern hat Paradoxes festgestellt: "Menschen in sicheren Jobs, etwa in der öffentlichen Verwaltung, haben oft mehr Angst vor dem Arbeitsplatzverlust als andere." In der Wirtschaft seien die Menschen gelassener – vielleicht eine Art Überlebensstrategie oder Fatalismus.

Gutes Teamwork zahlt sich aus in schlechten Zeiten

Interessant auch: Je älter die Leute sind und je schlechter die Ausbildung, desto grösser sei die Angst. Zudem: "Wer seit Jahren die gleichen Aufgaben erledigt hat, dem macht schon die kleinste Veränderung angst." Und das Betriebsklima? Dort, wo man auch in guten Zeiten Wert auf Teamwork und ein wertschätzendes Miteinander gelegt habe, raufen sich die Leute in schwierigen Zeiten zusammen. "In solch einer Firma kann eine Wirtschaftskrise dem Teamgeist sogar Auftrieb geben."

Wenn sich das Betriebsklima in einer Krise verschlechtere, wird’s schwierig: Resignation und Lethargie breiten sich aus, jeder arbeitet gegen jeden, miese Stimmung – eine abwärts drehende Spirale, ein sich rasend schnell ausbreitender Virus.

Wichtige Grundsätze für Chefs

Die wichtigsten Grundsätze für die Chefs seien erstens: Offen kommunizieren was los ist, auch wenn man noch keine hundertprozentig verlässlichen Informationen hat. "Wer die schwierige Lage thematisiert, beugt Spekulationen und Gerüchten vor – und damit auch Verunsicherungen und Ängsten", sagt Tschanz. Und zweitens: die Wertschätzung. Sprüche wie "Die Älteren sollten sich überlegen, ob sie noch am richtigen Platz sind" oder "Mechaniker braucht heute keiner mehr" seien tödlich fürs Klima.

Aber auch die Mitarbeiter sind gefordert. Urs Tschanz kennt eine Strategie gegen irrationale Angst und hängende Köpfe: "Malen Sie sich den allerschlimmsten Fall aus – und Sie werden feststellen, dass Sie auch den überleben würden, und das meistens gar nicht mal so schlecht."

Totale Sicherheit ist unrealistisch

Jobs gebe es auch in schwierigen Zeiten. Oft könne der Partner einen möglichen Lohnausfall abfedern, wenigstens eine zeitlang. Vielleicht eine Weiterbildung? Selbständig machen? Freiberuflich arbeiten? Pendeln? Aber auch: arbeitslos melden. "In der Schweiz ist man gut abgesichert", sagt Tschanz.

Aber das Sicherheitsbedürfnis sei überspitzt: Man wolle eine Garantie auf den Job, jetzt und in 15 Jahren. "Wer sich vor Augen hält, dass dies unrealistisch ist, kommt besser klar." Ausserdem: Flexibel bleiben, auch im Kleinen. Ein Haustechniker, der nur Haustechniker sein will, wird eher wegrationalisiert als einer, der auch Gärtnerarbeiten erledigt.

Aber: "Profilieren Sie sich nie auf Kosten eines Kollegen, und nutzen Sie nie die Schwäche eines anderen zum eigenen Vorteil. Es vergiftet das Klima und führt zu Ellbögeleien." Das könne sich hochschaukeln bis zum Mobbing – und dabei verlieren dann alle.

Wie es zu Konflikten kommt – und wie man sie bewältigen kann

Oft wird angenommen, es liege an der Persönlichkeitsstruktur der Streithähne. Das ist ein Irrtum, weiss Fachpsychologe Klaus Schiller-Stutz aus Hedingen (ZH). Er nennt verschiedene Faktoren, die zum Nährboden für einen Konflikt werden können:

  • Die Angst um den Job, Rationalisierungen im Betrieb und erhöhter Leistungsdruck belasten die zwischenmenschliche Beziehung – Ellbogenmentalität macht sich breit.
  • Schwammig definierte Aufgaben, nicht geregelte Kompetenzen, Unklarheiten darüber, wer wofür die Verantwortung trägt – fördert das "Sündenbock-Denken".
  • Überlastete oder überforderte Führungskräfte, unsinnige oder unklare Anweisungen, fehlende oder unvollständige Information – führt zu Spannungen.
  • Hinzu kommen gruppendynamische Effekte wie Antipathie, Kritik, Neid, Streben nach Macht oder Beförderung. Zu einer Ausgrenzung führen können Herkunft, Hautfarbe, besondere Fähigkeiten oder Gebrechen einer Person. Insbesondere dann, wenn Kollegen oder Vorgesetzte ihre eigenen Mängel oder Schwächen zu kaschieren versuchen, indem sie auf Menschen mit besonderen Merkmalen "herumhacken".
  • Inkongruente Kommunikation: Wenn Aussagen und Verhalten nicht übereinstimmen.

Für Schiller-Stutz sind Konflikte verschiedenartig, mehr oder weniger gefährlich, einfacher oder schwieriger zu lösen:

  • Der offene Konflikt (wenn zwei sich anbrüllen) ist in der Regel einfach zu beseitigen.
  • Der verdeckte Konflikt hingegen brodelt unter der Oberfläche: Es werden Koalitionen geschmiedet, Intrigen inszeniert, die klärende Auseinandersetzung findet nicht statt – häufige Folge: Mobbing.
  • Konflikte können einen sachlichen Grund haben (gemeinsames Ziel, aber Streit über den Weg dahin) oder einen persönlichen (wenn zwei sich nicht riechen können). Ein Verteilungskonflikt entsteht, wenn Ressourcen wie etwa Geld, Personal, Anerkennung ungerecht verteilt werden – tatsächlich oder vermeintlich. Und zum Zielkonflikt kommt es, wenn nicht alle Beteiligen auf dasselbe Ziel hinarbeiten.

Wie man Konflikte bewältigt

  • Grundsatz: früh erkennen, sofort thematisieren und nach einer Lösung suchen. Symptome sind eine andauernd gereizte Stimmung, wenn sich Gruppen bilden, respektloses Verhalten, zunehmende Fehlzeiten und Krankmeldungen, sinkende Qualität und steigende Kundenreklamationen, hohe Personalfluktuation.
  • Konflikte sind kein "Pfui-Thema", sie gehören zum Leben und zum Arbeitsalltag; und in jedem Konflikt steckt die Chance, etwas zu verbessern. Also: offen ansprechen, sich zuhören, analysieren, ausdiskutieren, Lösungsmöglichkeiten aufzeigen, entscheiden – und es dann auch umsetzen.
  • Kommt man im Team nicht weiter: Hilfe einer aussenstehenden Person suchen; in schwierigen Fällen kann ein Mediator gute Dienste leisten.

Das Beste hingegen ist: Beugen Sie vor!

  • Sorgen Sie als Vorgesetzter dafür, dass sich Ihre Mitarbeiter wohl fühlen: Jeder Mensch möchte etwas Sinnvolles tun, zum Gelingen einer Aufgabe beitragen und dafür einen gerechten Anteil am Erfolg bekommen – nicht nur in Form von Geld, auch Wertschätzung und Anerkennung sind elementar.
  • Achten Sie darauf, dass Arbeit und Arbeitsplatz die Gesundheit Ihrer Leute nicht schädigt (nicht nur das körperliche Wohlbefinden ist gemeint – auch die Psyche).
  • Und sollte mal einer krank gewesen sein: Lassen Sie diesen Menschen nicht verkümmern, sondern kümmern Sie sich um ihn. Helfen Sie ihm beim Wiedereinstieg, beispielsweise mit einem Rückkehrgespräch.
  • Führen Sie regelmässig Mitarbeiterbefragungen durch.

(Vera Sohmer, 2009)