Spannend präsentieren: Theater geht vor Technik
Eine Präsentation mit Laptop und Beamer ist eine verschärfte Form des Vortrags. Wie Sie das Publikum beherrschen – und nicht von der Technik beherrscht werden.
Von Christoph Stehr
Mal sieht der Mann aus, als komme er vom Shopping – buntes, kurzes Hemd, offen über der Hose getragen –, mal sieht er aus, als wolle er den Hund im Wald ausführen – schwarzer Sweater, Jeans, derbe Schuhe.
Klare Botschaften statt Powerpoint-Schlachten
Krawatte zieht Guy Kawasaki nie an, egal ob er vor Studenten oder Topmanagern auftritt. Die linke Hand ist in der Hosentasche vergraben, die rechte hält die Fernbedienung für den Beamer und ist ständig in Bewegung, stösst nach vorn, zeichnet Kreise in die Luft, greift nach dem Publikum. Kawasaki schreitet die Bühne ab, sucht Augenkontakt, dann schaut er zehn Sekunden lang zu Boden, nach oben, fährt sich mit dem Finger an die Nase, redet langsam, macht Pausen.
Auf der Leinwand hinter ihm tobt keine Powerpoint-Schlacht, sondern leuchten klare Botschaften auf: wenige Worte in bunter Kinderschrift, dazu Strichzeichnungen, ab und zu ein Foto.
Ein Dutzend Folien für eine ganze Stunde
Mit einem Dutzend Folien füllt Kawasaki, einer der bekanntesten Risikokapitalgeber im Silicon Valley und gefragter Vortragsredner zu Themen wie Innovation und Unternehmensgründung, eine ganze Stunde. Seine Präsentationen fesseln – und vergehen wie im Flug.
Gutes gut zu verkaufen, ist eine Grundvoraussetzung für den beruflichen Erfolg. Bevor Leistung honoriert werden kann, muss sie erst jemand bemerken. Nach der 2011 veröffentlichten Untersuchung "Mit dem Bachelor in den Beruf" der Hochschul-Informations-System GmbH, Hannover, betrachten rund vier Fünftel der Hochschulabgänger Präsentationskompetenzen als sehr wichtig oder wichtig im Job.
Die Angst vor der ersten wichtigen Präsentation
Allerdings sehen sie sich unterschiedlich gerüstet: In den Sprach- und Kulturwissenschaften glauben 55 Prozent der FH-Bachelors und 63 Prozent der Uni-Bachelors, mit Präsentationen keine Probleme zu haben. Bei den Ingenieuren wollen das nur 42 Prozent der FH-Bachelors und 35 Prozent der Uni-Bachelors von sich behaupten.
Im Umkehrschluss heisst das, dass je nach Fachrichtung und Hochschulart bis zu zwei Drittel der Berufsanfänger Gefahr laufen, mit ihrer ersten Präsentation vor Kollegen und Vorgesetzten zu scheitern.
So langweilt man das Publikum zu Tode
Eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln legt den Finger in die gleiche Wunde: Die befragten Personalmanager kritisieren, dass Hochschulen zu wenig Methodenwissen vermittelten. 70 Prozent halten Lehrangebote zu Präsentationstechniken für notwendig. Wobei "Technik" sich nicht darauf beschränken darf, möglichst viele möglichst volle Powerpoint-Folien zu produzieren.
Garr Reynolds, Autor des Standardwerks "Naked Presenter", erzählt gern, wie er sich einmal fast zu Tode langweilte: Erst brauchte der Vortragende ewig, um seinen Laptop hochzufahren, dann fiel ihm sein Passwort nicht ein, dann musste er sich durch Familienfotos zum richtigen Ordner klicken – um schliesslich für den Rest des Abends hinter dem Rednerpult im Halbdunkeln abzutauchen, während auf der Leinwand eine Folie die andere jagte.
Ziele festlegen
"Wann ist eine Präsentation gut? Die Antwort: Wenn sie das Ziel erreicht hat", meint Rüdiger Vogel, Inhaber von Vogel-Training und Beratung in Forst bei Bruchsal. "Oftmals liegt schon hier die Ursache für eine langweilige Präsentation: Der sie ausgearbeitet hat, war sich nicht im Klaren darüber, was er eigentlich erreichen will."
Sinnvoll ist es, das Ziel aus Sicht des Publikums zu definieren: Was sollen die Leute im Raum wissen, glauben, fühlen, wenn der Vortrag beendet ist? Sollen sie nachdenklich, froh oder vielleicht erschüttert nach Hause gehen? Zu welcher Handlung sollen sie motiviert werden? Wer die Antworten auf diese Fragen während der Präsentation stets im Hinterkopf hat, kann sofort reagieren, wenn sich beispielsweise die Stimmung im Raum anders entwickelt als geplant.
Vogel nennt fünf wesentliche Merkmale einer guten Präsentation:
- sie informiert
- sie unterhält
- sie erzeugt Spannung
- sie überzeugt
- sie bewegt zum Handeln
Genauso gebe es fünf "Präsentationskiller", die in einer Stunde die Arbeit von Tagen zunichtemachten:
- zu langes Reden
- Dominanz der eigenen Sichtweise
- Ignorieren des Publikums
- Selbstüberschätzung
- schlechte Vorbereitung
Die beiden letzten Punkte hängen oft zusammen. Grenzenloses Vertrauen auf Improvisation drücke "Geringschätzung des Publikums" aus, sagt Vogel. "‘Ich bin besser als andere.‘ Achtung! Hochmut kommt vor dem Fall. Selbst wenn es stimmt – und es stimmt selten –, werden Sie mit einer solchen Haltung keine gute Verbindung zum Publikum bekommen."
Spass muss sein
Der Berliner Trainer Karsten Noack weist auf einen weiteren Punkt hin: "Es braucht Spass an genau dieser Präsentation, eine sehr persönliche Beziehung dazu. Wieso gebe gerade ich diese Präsentation?" Nur wer mit dem Herzen dabei ist, lässt den Funken auch zum Publikum überspringen. Voller Körpereinsatz, also abwechslungsreiche Gestik und Mimik, Stimmmodulation und "raumgreifende" Präsenz sorgen für Aufmerksamkeit und Interaktion.
Guy Kawasaki gelingt das regelmässig. Wenn er Zeit hat, beantwortet er nach seinen Präsentationen noch Fragen von Leuten, die zu ihm auf die Bühne drängen – dieses "Privatissime" dauert zuweilen länger als die Präsentation selbst.
Richtig präsentieren: Das Medien-ABC
Der Wuppertaler Unternehmensberater Frank Pongé empfiehlt, bei der Visualisierung von Informationen auf die "4 Dimensionen der Verständlichkeit" zu achten. Nämlich: Einfachheit von Text und Bild, logische Gliederung und Ordnung, Kürze und Prägnanz, zusätzliche Stimulans wie Fragen ans Publikum oder originelle Details auf den Charts. Entscheidend ist es, die Medien zur Visualisierung optimal einzusetzen.
Vor- und Nachteile der gängigsten Präsentationshelfer
Beamer
Animationen durch Powerpoint oder ähnliche Programme ermöglichen einen lebendigen Vortrag; sie sind beliebig wiederholbar, stoppbar, zerlegbar, können Emotionen wecken und viel Information transportieren. Aber dem stehen der hohe Produktionsaufwand und das Risiko technischer Pannen entgegen. Eine perfekte Show verleitet das Publikum zu einer Konsumhaltung.
Flip-Chart
Die Teilnehmer können leicht zum Mitmachen angeregt werden. Dabei treten gute Ideen, die sich sofort schriftlich festhalten lassen. Später sind die Papierbögen, gut sichtbar an die Wand geheftet, eine prima Diskussionsgrundlage. Geringer technischer Aufwand. Aber das Gerät passt nicht ins Handgepäck, die Schreibfläche ist recht klein, die Blätter können nicht auf einen Standardkopierer gelegt werden. Ausserdem unterbricht der Schreiber den Blickkontakt mit dem Publikum.
Overhead-Projektor
Der Vortrag mit vorbereiteten Folien ist stressfrei. Papiervorlagen können auf Folien kopiert werden und umgekehrt. Auch bei Tageslicht einsetzbar. Aber die einfache Handhabung verleitet dazu, zu viele Folien anzufertigen und diese zu schnell abzuhaken. Es fällt schwer, das Publikum einzubeziehen. Die Geräte sind empfindlich und müssen vorsichtig transportiert werden. Begrenzte Lebensdauer der Lampe.
Pinwand
Die Gruppe arbeitet intensiv mit, indem sie Input für die Karten liefert, die an die Pinwand geheftet werden. Der Vortragende kann mit vorgefertigten Karten bestimmen, in welche Richtung die Diskussion geht. Umgruppieren der Karten führt zu neuen Denkansätzen. Aber die Methode kann bei zu grossen Gruppen oder ungeübten Teilnehmern versagen. Die Pinwand ist sperrig zu transportieren.
Tischvorlagen
Wer die wichtigsten Informationen ausdruckt und verteilt, geht auf Nummer sicher: Alle Zuhörer sind auf dem gleichen Stand. Papier wird gern mit nach Hause genommen – das erhöht die Chance, dass von der Präsentation etwas "hängen bleibt". Aber Papier lenkt auch vom Geschehen auf der Bühne ab. Mancher Teilnehmer schaltet ab, weil er das Gefühl hat, bereits Bescheid zu wissen.
Video
Ein Heimspiel für den Vortragenden, weil Leben in die Bude kommt. Videos lassen sich anhalten, zurückspulen und wiederholen. Aber der Produktionsaufwand ist extrem hoch. Die komplette Ausrüstung mit Monitor, Abspielgerät, eventuell auch Kamera, füllt den Kofferraum eines Pkw.