Passen Sie in den Chefsessel?

von Monster Contributor

Wer Chef geworden ist, gilt als erfolgreich und ist angesehen. Aber nicht für jeden und nicht immer ist der Schritt zum Vorgesetzten eine gute Idee. Welche Gründe es gibt, sich nicht befördern zu lassen.

Ist es die günstige Gelegenheit auf den Posten des Chefs? Der Firmenwagen? Das höhere Gehalt zuzüglich Erfolgsprovision, das Spesenkonto? Oder reizt Sie die Aussicht, auf der Gesellschaftsleiter eine Sozialstufe weiter zu kommen? Dann lassen Sie's bleiben – die Sache mit der Beförderung!

Nicht vom Ego leiten lassen

Denn die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass Sie innerhalb weniger Monate oder Jahre als Beispiel für das Peter-Prinzip, das Dilbert-Prinzip oder für den mit einem Ig-Nobelpreis bedachten Dunning-Kruger-Effekt herhalten müssen. Oder Sie entwickeln sich zum Mikromanager: Das ist jener Vorgesetzte, der sich mit Dingen beschäftigt, die eigentlich seine Mitarbeiter erledigen sollten – Dinge eben, die er kann.

"Man darf sich nicht vom Ego leiten lassen", sagt Katrin Juntke, Karriereberaterin aus Brütten ZH. Sondern kühl und sachlich analysieren, ob man für den Posten die nötige Qualifikation und Motivation mitbringt. Fehlt eines davon oder zweifeln Sie selbst daran, der Richtige zu sein? "Sagen Sie Nein!"

Erst denken, dann befördern lassen

Wer nicht absolut sicher ist, den Job haben zu wollen; wenn die Familie nicht hinter einem steht; wenn man zweite Wahl ist und nur genommen wird, weil ein anderer abgelehnt hat; wenn man dienstaltersbedingt an der Reihe ist; wenn einem der Chef einen Gefallen schuldet – alles gute Gründe, Nein zu sagen.

Ursula Knorr vom Institut für Führung und Personalmanagement der Uni St. Gallen: "Jeder Beförderung sollte eine sorgfältige Evaluation vorangehen." Gute Firmen und Organisationen planen die Nachfolge und fördern geeignete Kandidaten. Fehle dieser Prozess, sollten Betroffene sich selbst über die Position informieren. Und zwar umfassend: Was sind die Anforderungen? Wo gibt es Stolpersteine? Welche Chance bietet die Position? Von wem darf man Unterstützung erwarten? Knorr: "Wenn Sie irgendwelche Bedenken haben – überlegen Sie es sich zweimal."

Die Konsequenzen bedenken

Ist hingegen alles im grünen Bereich, kann man getrost Ja sagen zur neuen Aufgabe – sofern man sich vorab noch Klarheit über die Konsequenzen verschafft hat. Ursula Knorr: "Sie werden Entscheide treffen müssen und die Verantwortung dafür zu tragen haben – und Sie können zur Rechenschaft gezogen werden."

Zudem müsse man sich auf neue Formen von Auseinandersetzungen oder gar Kampf einstellen, Aufgaben für Mitarbeiter formulieren und delegieren, das Umsetzen kontrollieren, führen, coachen – alles unter Zeitdruck. Auch die Konsequenzen im sozialen Umfeld dürfe man nicht unterschätzen: Neid oder Missgunst von Kollegen oder Freunden etwa. Oder die Tatsache, das ein ehrliches Feedback immer schwerer zu bekommen ist, je höher man steigt in der Hierarchie.

Die lieben Kollegen

Besonders tückisch und belastend ist, wenn ehemalige Arbeitskollegen zu beweisen versuchen, dass sie die bessere Wahl für den Job gewesen wären. Und schliesslich das Privatleben: weniger Zeit für Familie, Freizeit, Freunde, Sport und Schlaf.

Philippe Hertig von Egon Zehnder International zu den Konsequenzen einer Beförderung: "Man exponiert sich, steht schnell im Rampenlicht, und es wird erwartet, dass man erreichbar ist – permanent." Katrin Juntke empfiehlt: "Nachfragen, warum der Vorgänger weg ist." Gab es Konflikte? Wurde er entlassen? Hat er den Job hingeschmissen? "Damit Sie wissen, was möglicherweise auf Sie zu kommt, wo die Empfindlichkeiten liegen – und die Tretminen."

Besitzen Sie Führungskompetenzen?

Noch immer alles klar? Dann können Sie den Füller für besondere Unterschriften schon mal zur Hand nehmen. Nur eines noch, bevor Sie die Kappe abschrauben: Ihre Eigenschaften. "Sie sind zwar nicht alles, denn inzwischen weiss man, dass Führungskompetenz nicht nur auf Eigenschaften beruht", sagt Ursula Knorr.

Vieles könne man lernen. Aber schädlich ist es auch nicht, wenn man über die eine oder andere verfügt. Philippe Hertig nennt die vier wichtigsten Führungskompetenzen: ausgeprägte Ergebnisorientierung, strategisch-konzeptionelles Denkvermögen, mitarbeiterorientiertes Führen, die Fähigkeit, mit diversen Interessensgruppen zu kooperieren. Katrin Juntke: "Und es braucht den Mut, Verantwortung zu übernehmen." Konsequent müsse man sein und ein Gespür dafür entwickeln, wie die Mitarbeiter ticken – offen sein für die Impulse, die von ihnen kommen. "Und man muss sich seine Schwächen eingestehen und daran arbeiten."

"Ich bin Chef!" - und nun?

Das war’s – herzlichen Glückwunsch zur Beförderung. Sie haben gute Voraussetzungen, die vor Ihnen liegenden Stolpersteine zu überschreiten. Die da beispielsweise wären: Oft lasse sich "der Neue" zu Aktionismus hinreissen, zu unnötigen Veränderungen, sagt Philippe Hertig. Dabei sollte er zunächst gut zuhören, Ängste und Bedürfnisse der Mitarbeiter verstehen, sich über die Ansichten und Prioritäten von Vorgesetzen informieren.

"Und dann soll er sich einen realistischen Zeit- und Aktionsplan zurechtlegen." Es gehe darum, Vertrauen zu schaffen – wer mit Getöse und wehenden Fahnen durch "seine" Abteilung wirbelt, hat dafür kaum die beste Methode gewählt. Die gröbsten Fehler laut Katrin Juntke: Zu glauben, Diplome und Titel seien die halbe Miete; Unsicherheit mit Arroganz zu überspielen; bei Rangeleien um Macht mitzumischen. Und: "Viele verlieren sich in Details, statt strategisch zu denken und zu handeln – ihren Job zu machen."

Eigene Schwächen kennen

Wer sich irgendwann nach der Beförderung fühlt wie der Hamster im Rad, weil die Arbeit einen immer grösseren Teil des Lebens einnimmt und der ausbleibende Erfolg aufs Gemüt drückt, der sollte frühzeitig das Gespräch mit dem Vorgesetzten suchen. Philippe Hertig: "Es gilt, die Ursache zu finden und abzuklären, ob sie beseitig werden kann." Etwa durch gezielte Weiterbildung oder durch Coaching.

Andernfalls solle man die Aufgabe abgeben – frühzeitig, solange Ansehen und Job-Alternativen noch intakt sind. Katrin Juntke rät Betroffenen: "Gestehen Sie sich ein, dass Sie auf dem falschen Stuhl sitzen". Die Konsequenz: Um Rücktritt bitten oder aber klar sagen, dass man Schwächen hat und daran arbeiten will, aber Hilfe braucht. "Das setzt freilich voraus, dass man seine Schwächen kennt." Doch genau damit hapere es bei manchen Vorgesetzten.

Wenn nach der Beförderung die Überforderung kommt

Der "Schritt zurück" – alles andere als einfach. Zwar ist für Philippe Hertig in jüngster Zeit ein gewisser Paradigmenwechsel erkennbar: Kürzertreten wird nicht mehr nur als Scheitern gesehen, sondern auch als normale Erscheinung akzeptiert. Dennoch könne nicht ausgeschlossen werden, dass der Betroffene zum Versager gestempelt und seine berufliche Entwicklung dadurch behindert wird.

"Ganz wichtig ist also, dass so ein Schritt offen und positiv kommuniziert wird – intern und extern." Katrin Juntke glaubt nicht, dass Kürzertreten gleich das Ende der Karriere bedeutet. "Ein Knick in der Laufbahn, so etwas kommt heute auch bei Hochqualifizierten vor." Trotzdem: Vorsorgen dürfte allemal besser sein. Wer seine Arbeit gerne verrichtet, Freude daran hat und gut ist in seinem Job, der sollte sich von der Aussicht auf mehr Geld und Prestige nicht weglocken lassen. Wer sich hingegen berufen fühlt für die neue Aufgabe, der sollte sie anpacken – mit Leidenschaft.

Oft zitiert und bis heute kontrovers diskutiert oder belächelt

Das Peter-Prinzip oder die Hierarchie der Unfähige
Wenn man wegen guter Leistung immer wieder befördert wird – bis man die Stufe erreicht hat, wo man den Aufgaben nicht mehr gewachsen ist. Die Folge: Es gäbe nur noch unfähige Vorgesetzte.

Das Dilbert-Prinzip
Der Unfähige oder Ineffiziente wird befördert – weil man annimmt, auf einem Management-Posten könne er weniger Schaden anrichten.

Der Dunning-Kruger-Effekt
Eine wenig kompetente Person neige dazu, die eigenen Fähigkeiten zu überschätzen. Zudem sei sie nicht in der Lage, die überlegenen Fähigkeiten einer kompetenteren Person zu erkennen.

Ig-Nobelpreis
Ursprünglich eine satirische Auszeichnung der Harward-Universität für unnütze oder skurrile wissenschaftliche Arbeiten (Ig = ignoble, unwürdig, unehrenhaft). Inzwischen ist der Preis aber durchaus begehrt und wird von vielen Preisträgern gerne angenommen.

(Vera Sohmer, 2009)