Lohnverhandlung: Den richtigen Zeitpunkt finden

Den richtigen Zeitpunkt für Lohnverhandlungen zu erwischen, ist nicht einfach. Wie Sie Ihr Timing verbessern können.

SAP-Berater Thomas, 33, fand immer einen Grund, das überfällige Lohngespräch mit seinem Abteilungsleiter aufzuschieben: erst das Projekt abschliessen, keine Unruhe im Team stiften, Urlaubszeit, der Firma ging es auch schon mal besser.

Wer nicht fragt, der nicht gewinnt

Als ihm eine Kollegin beim Feierabendbier steckte, dass sie "mal wieder" knapp zehn Prozent herausgeholt habe, verschluckte sich Thomas fast.

Wer nicht fragt, der nicht gewinnt, lautet ein Grundprinzip des Salärpokers. Wie der Chef reagiere, sei "unkalkulierbar in beide Richtungen", meint Martin Wehrle, Buchautor und Gehalts-Coach. "Ich habe auch schon erlebt, dass Arbeitnehmer offene Türen einrennen. Gerade bei hoch engagierten Spezialisten und Spezialistinnen heisst es dann: Stimmt, Sie waren schon längst mal dran!"

Schwarz auf weiss

Auf die Frage nach dem richtigen Zeitpunkt für ein Lohngespräch gibt es somit eine einfache Antwort: immer, sofern der Mitarbeiter oder die Mitarbeitende sich vorbereitet hat.

Die Wiener Karriereberaterin Dr. Ingrid Mylena Kösten empfiehlt, "handfeste Beweise" zu sammeln, die dem Vorgesetzten keine Alternative zu einer Lohnerhöhung lassen. "Belegen Sie Ihre Leistungen mit Zahlen und Fakten und weisen Sie ungeniert auf Verbesserungen Ihrer Ergebnisse hin", sagt Kösten. "Keine falsche Bescheidenheit." Natürlich dürfen die Erfolge nicht an den Haaren herbeigezogen sein: "Bezahlt wird der Mitarbeiter für seine Taten und nicht für seine Worte."

Die richtigen Anlässe

Das Ende der halbjährigen Probezeit wäre zu früh, um die erste Lohnrunde einzuläuten – es sei denn, dieser Termin wurde bei der Vertragsunterzeichnung vereinbart. Ein bis zwei Jahre dauert es, bis sich neue Mitarbeiter etablieren. So lange stellen sie das Thema Geld besser zurück.

"Natürliche" Anlässe für Lohnverhandlungen sind der Abschluss des Traineeprogramms, eine Beförderung, eine neue Aufgabe oder ein Wechsel der Abteilung. Auch wenn sich die persönliche Situation des Mitarbeiters ändert, kann er um ein Gespräch bitten.

Er oder sie darf nur nicht vergessen, dass in der Wirtschaft nicht das Alimentationsprinzip gilt: Hochzeit, Familienzuwachs oder der Umzug in eine teurere Wohnung berechtigen nicht zu finanziellen Forderungen. Dagegen lässt sich der Abschluss eines berufsbegleitenden Studiums gut als ein zusätzliches Plus verkaufen, wovon auch der Arbeitgeber profitiert.

Alle Jahre wieder

Das jährliche Personalgespräch ist grundsätzlich ein geeigneter Aufhänger für Lohnverhandlungen. Da die meisten Arbeitgeber genauso denken, empfiehlt es sich, einen Tick schneller zu sein und ein Vierteljahr vorher ein Extra-Gespräch zu verabreden. Ohnehin trennen immer mehr Unternehmen die Themen Geld und persönliche Entwicklung, um die Personalgespräche nicht zu überfrachten.

Das "Feintuning" des Gesprächstermins wird oft überschätzt. So stimmt es nicht, dass Führungskräfte vor ihrem Urlaub oder aufs Weekend hin milde gestimmt sind. Der Mitarbeitende sollte lediglich darauf achten, ein wirkliches Zeitfenster von einer halben bis Dreiviertelstunde Dauer eingeräumt zu bekommen.

Den richtigen Rhythmus finden

Das Angebot, spontan über Geld zu reden, lehnt der Mitarbeitende im Zweifelsfall ab: "Vielen Dank, aber ich möchte erst ein paar Fakten zu meinen Projekten der letzten Monate zusammentragen."

Lohnpoker ist ein Spiel für Wiederholungstäter – allerdings darf man die Frequenz nicht übertreiben. Wer alle halbe Jahre nach einer Gehaltserhöhung fragt, wird spätestens beim zweiten Mal abgewimmelt. Ein Rhythmus von ein bis zwei Jahren ist eher sinnvoll – und in den meisten Unternehmen akzeptiert. "Nie vergessen: Der Lohn spiegelt die Wertschätzung der Firma wider", mahnt Gehaltscoach Wehrle. "Wer viel verdient, wird hoch geschätzt - und sitzt in der Krise sicherer."

(Christoph Stehr, 2010)