Lebenslauf: Mut zur Lücke
Was heisst hier "Lücke"? Fehlt denn etwas, wenn jemand eine Zeitlang nicht gearbeitet hat? Je nach Perspektive und Engagement kann eine Pause im Arbeitsleben bei einer Bewerbung Minuspunkte bringen oder auch von Vorteil sein.
Eine Station, die beruflich nicht belegt ist, taucht im Lebenslauf als Lücke auf – wenn sie den mehr als sechs Monate umfasst. Auszeiten von drei oder vier Monaten zwischen zwei Anstellungen werfen in der Regel keine Fragen auf. Ist der Lebenslauf chronologisch angeordnet, was vor allem bei jüngeren Bewerbern der Fall ist, ist die Pause deutlich sichtbar. Ist er thematisch gegliedert, wie es sich vor allem für Berufserfahrene und für Spezialisten empfiehlt, fällt sie nicht so schnell auf, sagt Markus Dieth, Berufs- und Laufbahnberater beim Destinatorium in Zürich. Wer über 40 ist, hat einen weiteren Vorteil: Er kann im Lebenslauf auf Monatsangaben verzichten – manche Lücke wird so erst gar nicht sichtbar.
Auf Nachfragen vorbereitet sein
Gründe für Pausen im Arbeitsleben gibt es viele: Erwerbslosigkeit, Krankheit, Familienzeit, ein Auslandsaufenthalt… Generell gilt: Was nachteilig sein könnte, sollte man einfach nicht anführen. Mut zur Lücke ist hier gefragt. Wird man aber zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen, sollte man sich gut vorbereiten. "Der grösste Fehler ist, bei Nachfragen überrascht zu sein und keine sinnhafte Erklärung zu haben", warnt Markus Dieth.
Wer sich gezielt für eine Auszeit entscheidet, sollte das selbstbewusst angeben. Jemand, der sich um seine Familie kümmert, eine Station im Ausland einlegt, ein Haus renoviert oder Tibet erkundet, erwirbt dabei durchaus Kompetenzen. Dieth spricht darum lieber von "Laufbahnübergängen" oder "Transformationszeiten" als von Lücken. "Hier wird die Bereitschaft zu Veränderungen sichtbar, und das kann mehr wert sein als wenn jemand jahrelang ein und dieselbe Stelle besetzt", meint der Berater aus Zürich. Wer gar selbst kündigt, ohne einen neuen Job in Aussicht zu haben, beweist Risikobereitschaft, die ein Arbeitgeber vielleicht durchaus schätzt.
Richtig begründet, können Pausen wertvoll sein
Zentrale Bedeutung kommt der inneren Einstellung zu, meint auch Christina Kuenzle, Beraterin im Executive and Business Coaching bei choice ltd. Zürich. Wer eine Denkpause selbst als wertvoll empfindet, kann sie im Vorstellungsgespräch überzeugend begründen. Allerdings sollte sich jeder klar darüber sein, was er verwirklichen will, meint sie. "Es kommt darauf an, was die Erfolgsfaktoren sind. Ein Generalist kann durchaus ab und zu völlig die Richtung zu wechseln. Für einen Experten, dessen Kompetenz die tiefe, umfassende Kenntnis seines Spezialsgebiets ist, wäre das dagegen weniger sinnvoll."
Wie sieht es mit unfreiwilligen Pausen aus? Am besten, man nutzt sie gewinnbringend für sich und andere. Zum Beispiel mit Weiterbildung, Projekten oder Non-Profit-Arbeit. Bei Jüngeren bieten sich auch Praktika an. "Oder man nimmt eine intensive Laufbahnberatung für die berufliche Neuorientierung in Anspruch", sagt Markus Dieth. "Wer über 50 ist, kann sich dafür ruhig sechs Monate Zeit nehmen."
Wer aktiv bleibt, hat auch mit Lücken gute Chancen
Hochgestellten Führungskräften rät Christina Kuenzle, bei einer längeren unfreiwilligen Pause rasch selbst eine Firma zu gründen, Projekte zu akquirieren und den Unterbruch als selbständige Tätigkeit auszuweisen. Das stärkt die Position bei der Suche nach einem neuen Job, mit der man im übrigen so schnell wie möglich beginnen sollte. "Gerade Führungskräfte warten oft zu lange", sagt sie.
Peter Rüegger wollte nicht warten, als er nach mehreren Stationen in kaufmännischen Führungspositionen seinen Job als Verkaufsleiter verloren hatte. Doch der nahtlose Übergang ins nächste Beschäftigungsverhältnis war nicht möglich. Die kaufmännische Lehre als Ausbildung der 70er Jahre reichte nicht mehr. Der 51-Jährige holte also das Verkaufsleiter-Diplom nach und liess ein Nachdiplomstudium in strategischem Management folgen. Danach fand er Arbeit in der Erwachsenenbildung. So wie Peter Rüegger im Lebenslauf nicht inaktiv oder passiv zu erscheinen, hält Dieth für einen zentralen Punkt. "Wer den Eindruck erweckt, ein aktiver, engagierter Mensch zu sein, der sich beruflich kümmert, hat auch mit Lücken im Lebenslauf gute Chancen."
Niemals falsche Angaben machen
Auf keinen Fall sollte man falsche Angaben machen. Wer im Gefängnis gesessen oder wegen einer Entziehungskur nicht gearbeitet hat, tut gut daran, diese Zeit einfach nicht zu dokumentieren und sich diesbezüglich intensiv auf ein Vorstellungsgespräch vorzubereiten. "Nicht zuletzt über das Internet erfährt man heute relativ viel über Menschen", gibt Christina Kuenzle zu bedenken. "Und wem Lügen nachgewiesen werden können, der hat keine Chance mehr – zu Recht."
"Umfragen haben übrigens gezeigt, dass Zufriedenheit im Leben für immer mehr Menschen wichtiger ist als die Karriere", sagt Markus Dieth. "Wer sich auch mal schont, längere Zeit Urlaub macht oder sich mit ganz neuen Dingen beschäftigt, bringt Balance in seinen Lebenslauf." Wer dazu steht, wird auch im Vorstellungsgespräch nicht an einer solchen Lücke scheitern.
(Christiane Deuse)