Kritikfähigkeit
Ein Rüffel vom Chef, Kritik von Kollegen oder Kommilitonen - das ist niemals angenehm. Dennoch lässt sich mehr Gutes daraus machen, als Sie ahnen.
Kritik ist kein Wert an sich, doch wer Kritik richtig einsetzt, hilft damit sich und anderen weiter. Dazu gehört Kritikfähigkeit, also die Fähigkeit, Kritik konstruktiv anzunehmen. Genauso wichtig ist es, Tadel so auszudrücken, dass ihr Gegenüber die eigenen Fehler einsehen und verbessern kann.
Zwischen Kritikgrund und Kritiker unterscheiden lernen
Unterscheiden Sie daher in beiden Situationen zwischen dem Kritikgrund und dem Menschen, der die Kritik empfängt oder äußert. Theologen sagen dazu "Werk und Person": Jemand, der sich nicht ausreichend wäscht, ist deswegen kein schlechter Mensch. Außerdem haben viele schlechte Eigenschaften eine gute Kehrseite. Vielleicht ist der, der immer zu spät kommt, ein engagierter und hilfsbereiter Mensch, der nur schlecht "Nein" sagen kann und anderen vor der Arbeit oder vor einer Verabredung zur Hand geht?
Wenn Sie andere kritisieren, fragen Sie sich daher am besten vorher: "Welche Eigenschaft oder Verhaltensweise des Gegenübers ist gut?" Beenden Sie jede Kritik mit einem kleinen Lob. Auch wenn Sie selbst kritisiert werden, ist es wichtig, den Tadel nicht auf Ihre Person, sondern auf den begangenen Fehler, die störende Eigenschaft zu beziehen.
Stellen Sie sich vor, Sie hätten einen Mantel mit einem hässlichen Fleck an, und Ihre Kritiker sprächen nur von Ihrem Mantel. Ziehen Sie in Gedanken den schmutzigen Mantel aus, und versprechen Sie, ihn reinigen zu lassen. So vermeiden Sie, dass die Kritik der anderen Ihre Persönlichkeit verletzt.
Jeder verdient eine Chance
Eine wichtige Grundregel für erfolgreiche Kritik lautet: Geben Sie Ihrem Gegenüber die Chance, den Fehler selbst wieder gut zu machen. Dazu braucht er Ihre Geduld, Ihr Vertrauen und Ihre Unterstützung. Machen Sie klare Vorgaben, wann und auf welche Art etwa eine Aufgabe zu erledigen ist. Erst wenn der Betroffene es dann nicht schafft, sollte er Platz machen für jemanden, der es kann.
Wenn Sie selbst kritisiert werden, sollten Sie das auch für sich einfordern. Vermeiden Sie einen Problemstau: Bitten Sie um Hilfe, wenn Sie sich überfordert fühlen. Schauen Sie dem Helfer dann beim Helfen zu, um Ihre Lernbereitschaft zu demonstrieren.
Humor hilft weiter
Kritik muss weder todernst noch verletzend sein. Tadel, der mit einem ehrlichen Lächeln, einem heiteren Ton und einem Schuss Selbstironie gewürzt ist, wird besser aufgenommen.
Wenn Sie jemanden kritisieren: Bringen Sie Ihr Gegenüber wenigstens einmal zum Lachen. Das klappt nur, wenn der Witz nicht auf Kosten des Kritisierten geht, sondern wenn Sie beispielsweise eine eigene Schwäche aufs Korn nehmen.
Wenn Sie selbst kritisiert werden, gilt das Gleiche: Bringen Sie Ihren Kritiker zum Lachen, indem Sie einen Witz auf eigene Kosten machen. Sie müssen sich dabei nicht demütigen, aber der andere sollte erkennen, dass Sie eine gesunde Distanz zu sich selbst haben und lernfähig sind.
Die Zwei-Minuten-Regel
Kritik ist eine punktuelle Sache, keine Dauereinrichtung. Optimal ist die Zwei-Minuten-Kritik: So lange kann man gut sachlich bleiben und inhaltlich alles klar auf den Tisch bringen. Danach sollte Schluss sein. Wer länger kritisiert, wird meistens unsachlich und färbt sein Urteil zu stark emotional ein.
Wenn Sie jemanden kritisieren: Stellen Sie sich innerlich die Uhr. Spätestens nach zwei Minuten sollte der andere zu Wort kommen. Legen Sie die Messlatte nicht zu hoch. Akzeptieren Sie, dass Irren eine Eigenschaft des Menschen ist und kein Verbrechen.
Wenn Sie selbst kritisiert werden: Verteidigen Sie sich mindestens zwei Minuten lang nicht, sondern erlauben Sie Ihrem Kritiker, Dampf abzulassen. Holen Sie nach den zwei Minuten nicht zum Abwehrschlag aus, sondern überzeugen Sie durch Ihre Standfestigkeit - oder durch Ihr Einlenken. Schließlich ist Kritik zwar unangenehm, aber oftmals auch berechtigt.
Dirk Baranek
ist studierter Geschichts- und Sprachwissenschaftler. Seit 2004 betreut er als Online-Redakteur die CoachAcademy. Als freier Autor schreibt er ferner für Magazine, Tageszeitungen und Online-Portale.