Konzentration: Immer Ruhe bewahren

Störenfriede - ob Mensch oder Maschine - sind schlecht für die Konzentration. Doch zum Glück gibt es gute Strategien und Übungen, die dagegen helfen.

Von Vera Sohmer

Was einen Schalter oder eine Taste hat, lässt sich ausmachen oder stumm schalten: das Natel etwa, wenn die Sirene eingehender SMS nervt. Oder man kann sich geplant stören lassen: Mailbox abrufen von Hand oder automatisch zwei-, dreimal am Tag.

Störungen stressen

Ist der Störenfried hingegen ein Mensch, wird's schwieriger: Interaktionen im Team sind zwar ein Stück weit kanalisierbar – Teamsitzung nach dem Znüni beispielsweise. Und der eine oder andere Vorgesetzte lässt sich vielleicht noch soweit disziplinieren, dass er nur zu bestimmten Zeiten aufkreuzt. Doch den Rat oder Hilfe suchenden Mitarbeiter vor verschlossener Tür stehen zu lassen, wäre nicht nur kontraproduktiv, sondern auch schlecht für die Note in Sozialkompetenz.

Ob vermeidbar oder nicht: Störungen stressen. Denn viele Menschen schaffen es nicht, innerlich auf die "Bitte-Warten"-Taste zu drücken – und danach weiterzuarbeiten, als wäre nichts gewesen.

Der Ärger verstärkt das Problem

"Dabei ist nicht etwa die Unterbrechung an sich das Problem, sondern unser Ärger darüber", sagt Christiane Wolfes, Kinesiologin aus Berlin. Ursache für den Ärger könne die Stimme der störenden Person sein, weil sie negative Erinnerungen auslöst. Aber auch der Zorn über unsinnige Arbeitsstrukturen: wenn man zu Leerläufen verdammt ist oder die aufgetragene Arbeit auch bei bestem Willen nicht schaffen kann. Oder wenn der Kollege sein Telefon schon wieder umgeleitet hat, weil er mal in Ruhe arbeiten will.

"Die Stressfaktoren können ganz woanders liegen, als wir vermuten", sagt Christiane Wolfes. So oder so: Wir werden unterbrochen bei unserer Arbeit, in unseren Gedanken. Und ist der Störenfried endlich wieder weg, stehen wir da mit grossen Augen und zerfurchter Stirn und versuchen dahinter zu kommen, wobei wir vorhin unterbrochen worden sind. Die Konzentration ist weg – auch das nervt.

Es handelt sich um eine Stressreaktion auf der emotionalen Ebene, erläutert Stresscoach Brigitte Zadrobilek aus Guntramsdorf (A). "Je öfter eine Person gestört wird, desto schwieriger findet sie wieder zur Aufgabe zurück." Das wiederum verstärkt die Emotionen wie Ärger, Zorn, Gereiztheit und Aggression – noch mehr Stresshormone werden ausgeschüttet, es beginnt ein Aufschaukelprozess.

Eine der möglichen Folgen: Unfall.

Auf dem Bau beispielsweise verunfallen Personen, die öfter gestört werden, bis zu 26 Prozent häufiger als andere, weiss Urs Näpflin von der SUVA. Nicht nur deswegen sollte aufkommender Ärger sofort abgebaut werden – sondern auch, um sich wieder konzentriert an die Arbeit machen zu können.

Hilfreich dabei sei "Erregungsmanagement", rät Brigitte Zadrobilek. Einerseits körperlich abreagieren: aufstehen, schütteln, durchatmen. Andererseits emotional-kognitiv: ein Bild anschauen, an etwas Schönes denken. "Dadurch werden die Freudezentren im Gehirn aktiviert und die Produktion weiterer Kampfhormone gestoppt."

Gelassenheit trainieren.

Denn wer gelassen bleibt, schüttet weniger Stresshormone aus und findet nach einer Störung schneller zur Konzentration zurück. Wer das noch nicht drauf hat und nach einer Unterbrechung gereizt oder zornig ist, muss erst mal Pause machen: Frischluft tanken, Wasser trinken, entspannen. Kann man den Arbeitsplatz nicht verlassen, hilft eine Übung aus der Kinesiologie: Stirnbeinhöcker berühren (siehe Box).

Das verstärkt die Durchblutung im vorderen Stirnlappen des Gehirns und "bremst" die Aktivitäten im Bereich des Hinterhirngebietes. Dort werden automatische Reaktionen wie Kampf und Flucht aktiviert; sie vermindern klares Denken, lassen stressfreies Handeln oder Entscheiden nicht zu. Die Folgen sind unangemessene Reaktionen und Gefühlsausbrüche – sich in dem Zustand auf die Arbeit zu konzentrieren, ist unmöglich.

Mit Unterbrechungen leben lernen

"Wir müssen lernen, mit Unterbrechungen zu leben – sie gehören zum Arbeitsalltag", sagt Ruth Wenger von alphaSkills, Baar. Wer mit ihnen klarkommen wolle, muss seine Einstellung ändern: Den Kopf umpolen – aufhören damit, Unterbrüche als Störung zu empfinden. Zudem brauche man Arbeitstechniken, um jederzeit in seine Aufgabe ein- und aussteigen zu können, bei Kopfarbeit beispielsweise Mind-Mapping (siehe Box).

Und man müsse wissen, wie unser Gehirn funktioniert: Es geht immer vom Grossen aufs Kleine. Um den Faden nicht zu verlieren, braucht es eine Zielsetzung. "Mir muss immer klar sein, wo ich hin will mit meiner Arbeit", sagt Ruth Wenger. Wer gelernt hat, sich nach einer Unterbrechung sofort wieder das Ziel vor Augen zu führen, könne mühelos aktivieren, was er schon erledigt hat und nahtlos daran anknüpfen.

Tipps von Grigor Nussbaumer, Institut Mental Power, Thalwil

Wo immer möglich die Ursachen von Störungen beseitigen. Statt den Ärger darüber in sich hineinzufressen: Sprechen Sie mit den Störenfrieden – auch wenn es der Chef ist. Vor allem dann, wenn es nicht zwingend nötig gewesen wäre, sie zu stören.

Wird man gestört, einen Moment innehalten und sich bewusst machen: Wo stehe ich gerade? Nach der Unterbrechung erinnert sich das Unbewusste und führt uns automatisch zum Thema zurück – und zu der Stelle, wo wir unterbrochen worden sind.

Spürt man Ärger aufkommen – Zeit gewinnen: Atmen Sie tief durch und zählen Sie bis 10.

Nach einer Störung: Auch wenn’s pressiert, stürzen Sie sich nicht sofort wieder auf ihre Arbeit. Erst sammeln – eine Minute in sich gehen, zur Ruhe kommen. So sind Sie schneller konzentriert, schneller wieder im Thema.

Wie man auf eine Störung reagiert, hängt von der mentalen Verfassung ab. Wer schon dünnhäutig zur Arbeit geht, explodiert sofort. Halten Sie sich ganzheitlich fit: Sport, Entspannungsübungen, gesunde Ernährung, ausreichend Schlaf.

Stirnbeinhöcker (Übung aus der Kinesiologie):

Mit den Fingerspitzen beider Hände die Stirnbeinhöcker zwischen dem Haaransatz und der Mitte der Augenbrauen leicht berühren, so, dass man ein Pulsieren unter den Fingerspitzen spürt.

Tief in den Bauch atmen und an die schwierige Situation denken, bis man deutlich Ruhe spürt. Danach versetzt man sich mit Hilfe positiver Sätze in die gewünschte Situation (zum Beispiel: „Ich bin zuversichtlich und sicher, dass…“ oder „Ich kann mich auf meine Arbeit konzentrieren.“). Die Übung beruhigt, zentriert, macht neue Problemlösungen möglich, baut Stress, Spannung und Gedächtnisblockaden ab.

Wer solche Methoden für Hokuspokus hält, möge sich und andere beim intensiven Nachdenken beobachten: Stützt man dabei den Kopf mit einer Hand, liegen Daumen und Fingerspitzen meist auf den Stirnbeinhöckern – instinktiv.

Mind-Mapping (auf Deutsch: Gedankenkarte oder Gedächtniskarte)

Das graphische Darstellen von Inhalten und deren Beziehung zueinander. Ausgehend von einem zentralen Begriff werden Äste gebildet mit den Hauptthemen oder –gedanken (ähnlich einer Baumkrone). Daraus "wachsen" die Nebengedanken oder Unterthemen.

Dabei sollen sich die Gedanken frei entfalten können, die Fähigkeiten des Gehirns optimal genutzt werden (Prinzip der Assoziation). Die Gestaltung unterliegt bestimmten Regeln wie etwa das Benutzen von Grossbuchstaben für Hauptthemen, unterschiedliche Farben, Linienstärken und –längen, Codes oder Bildelemente.

Mit Mind-Mapping kann man Protokolle erstellen oder Projekte planen. Es dient auch als graphisches Hilfsmittel, wenn man Ideen entwickelt. Im Unterschied zum „Brainstorming“ werden hier jedoch die Themen von Anfang an vernetzt.