Konflikte am Arbeitsplatz
Auch am Arbeitsplatz wird gestritten. Dabei müssen keine "Fetzen fliegen", denn es gibt klare Regeln, die einen konstruktiven Umgang mit einem Konflikt erlauben und zu einer guten Lösung führen.
"Die Illusion, dass wir die Realität wahrnehmen, führt uns in einen Konflikt", sagt Maurizio Mezzi, Leiter Personalförderung und Ausbildung bei der Swica in Winterthur. Jeder, der eine andere Meinung hat als wir, sei potenziell ein Feind. Somit fällt es schwer, Menschen als intelligent zu beurteilen, die bestreiten, was wir wissen.
Drei Denkfehler führen zu einem Konflikt: Erster Fehler ist der, dass wir meinen, "die Wahrheit", wahrzunehmen; der zweite Fehler besteht darin, dass wir überzeugt sind, der andere ist schuld. Drittens sind wir meistens der Meinung, dass ein "sich verstehen" gleichbedeutend ist mit "gleich empfinden". Dabei, betont Mezzi, sei es doch im Grunde einfach, zu sagen: Offensichtlich haben wir das Gleiche ganz unterschiedlich erlebt.
Win-Win-Situation schaffen
Vermeiden kann man einen Konflikt zunächst einmal durch "aktives Zuhören". Mezzi: "Das bedeutet im Grunde nur, sich in den anderen hineinzuversetzen und ihm wirklich zuzuhören. Dann das wiederholen, was der andere gesagt hat." Was so einfach klingt, fällt allerdings oft schwer. Denn wir reagieren meist emotional, auch wenn wir felsenfest behaupten, rational zu handeln. Zwischen Sender und Empfänger gibt es einen Filter, erklärt Mezzi, das ist die Emotionalität. "Durch Stress, unsere Tagesform, sogar durch Gerüche oder Farben werden wir hier beeinflusst."
Im Konfliktfall rät der Fachmann darum, zuerst auf Distanz zu gehen und zu versuchen, eine Win-Win-Situation zu schaffen. Sind wir so richtig sauer, sollten wir uns, sofern möglich, ein Time-out erlauben, um die eigenen Emotionen wieder in den Griff zu bekommen. Das kann Minuten oder Stunden dauern. Eine Win-Win-Situation herzustellen, ist schon schwieriger. Das geht nur, wenn man den Sachverhalt so wertfrei wie möglich schildern kann.
Die Kunst, wertfrei zu kommunizieren
Wertfrei kommunizieren heisst, man beschreibt einfach, was gewesen ist. Dazu ist es sinnvoll, in "Ich-Botschaften" zu sprechen. "Ich fühle mich verletzt." oder "Ich wünsche mir, dass in Zukunft…." kann das etwa heissen. Zur Klärung des Sachverhaltes gehört auch, die andere Meinung zu akzeptieren, denn auch die ist richtig. "Wahr ist, was mein Gegenüber versteht", bringt es Mezzi auf den Punkt. Nachfragen ist ebenso sinnvoll, etwa mit der Frage: "Könntest Du mir das nochmal erklären?"
Dann geht die Suche weiter. Und zwar nach Gemeinsamkeiten, denn auch im schlimmsten Konlikt gibt es einen kleinsten gemeinsamen Nenner. Bei Konflikten tendieren viele dazu, über das Problem zu reden, als über die Lösung. Man sollte auch nicht vergessen: Es geht um die Bewältigung der Zukunft, das mitunter beliebte Feilschen an der Vergangenheit ist fehl am Platze.
Innert 48 Stunden klären
Es ist ratsam, sich der Situation wirklich zu stellen, auch wenn es wehtut. Denn wenn wir flüchten, können wir nicht das Problem bewältigen und daran wachsen. Die Erfahrung, eine Situation bewältigt zu haben, mindert unsere Unsicherheit und es ändert sich etwas. Und wer immer wieder Grenzen überschreitet, sichert sich Erfolgserlebnisse.
Einem Konflikt sollte man sich innerhalb von 48 Stunden stellen. Man sollte versuchen, konkret zu beschreiben, was gewesen ist, ohne Wertung, versteht sich. "Wenn viel Zeit verstreicht, sind die Emotionen nicht mehr präsent", so Mezzi. Denn wer weiss noch nach zwei Wochen, was in der konkreten Situation empfunden wurde?
Konkret sein beim Feedback
Das Feedback geben braucht einiges an Training. "Beschreiben statt Bewerten" gilt auch hier. Dabei ist es wichtig, dem anderen sein Empfinden mitzuteilen und Ich-Botschaften zu senden. Besser ist es beispielsweise zu sagen: "Das wirkt auf mich arrogant" als "Sie sind arrogant." Man kann auch sein Gegenüber um eine Veränderung seines Verhaltens bitten oder ihm/ihr anbieten, eine Lösung vorzuschlagen.
Wer in der unangenehmen, Lage ist, ein Feedback zu empfangen, sollte sich bewusst sein, dass er/sie dadurch erfährt, wie andere einen sehen. Schliesslich ist ein Konflikt eine gute Möglichkeit, sich selbst und den anderen kennenzulernen und daran zu wachsen, auch wenn es eine schmerzliche Erfahrung ist.
(Lioba Schneemann, 2010)