Körpersprache richtig deuten

von Monster Contributor

Zeig dich und ich sag dir, wie du tickst. Körpersprache richtig zu deuten, kann im Job zum Matchpunkt werden. Unternehmen lassen ihre Mitarbeiter deshalb den Ernstfall proben – in Rollenspielen, mit Profis vom Theater.

Roger Nydegger kennt die Bretter, die die Welt bedeuten. Und er hat einen Draht zur Wirtschaftswelt. Der Schauspieler, Theaterpädagoge und Kommunikationsexperte ist seit 2001 Berater und Figuranten-Trainer im Assessment-Center der Credit Suisse und macht Manager fit für ihre Auftritte.

Situationen und Verhatlent simulieren

Nydegger weiss: "Theater spielen wird in Firmen immer beliebter." Sei es, um in Rollenspielen Team-Konflikte aufzuarbeiten, oder um Verkäufer an fiktiven Kunden zu schulen. Dabei gehe es nicht darum, anderen etwas vorzugaukeln. Es würden Situationen und Verhalten simuliert, um sie zu analysieren und besser verstehen zu lernen.

Dass Unternehmen dafür auf das Know-how von Theaterleuten zurückgreifen sei logisch: Schauspieler sind schliesslich Spezialisten in verbaler und nonverbaler Kommunikation.

Kraft der Körpersprache nicht unterschätzen

Die Krux der Körpersprache: Noch bevor die Kandidatin im Assessment ihre Vorzüge darlegen kann, hat sie erste nonverbale Signale schon ausgesandt. Noch ehe der Abteilungsleiter in der Teamsitzung das Wort ergreift, haben Gesicht und Körperhaltung seine allgemeine Lage bereits verkündet.

Roger Nydegger: "Kein Mensch kann losgelöst von seinem Körper wahrgenommen werden. Er drückt aus, was wir sind – und er bildet unser Verhältnis zur Welt ab. "Wir benutzen die Körpersprache Tag für Tag, mehr oder weniger selbstverständlich, meist unbewusst. Und oft unterschätzen wir ihre Kraft und Wirkung.

Ausstrahlung und Souveränität gewinnen

Das heisst im Umkehrschluss: Wenn wir die Körpersignale anderer wahrnehmen und richtig deuten, verstehen wir sie besser und können unser Verhalten besser steuern.

Aber nicht nur das: Wie wir auf andere wirken, ist zu 90 Prozent auf nonverbale Signale zurückzuführen, erklärt die Luzerner Kommunikationstrainerin Rita Misteli. Im Wissen um diese Signale gewinne man Ausstrahlung und Souveränität.

Der Körper lügt nicht

Und man könne im Job punkten, indem man Konflikte rascher erkennt und löst, sich in Sitzungen besser einbringt, mit seinen Ideen überzeugt. Oder weil man die oft so harzigen Mitarbeitergespräche flott und konstruktiv zu führen versteht.

Doch Vorsicht: Anderen mit einstudierten Gesten etwas vormachen zu wollen, funktioniert allenfalls kurzfristig und punktuell. "Der Körper lügt nicht", sagt Rita Misteli. Er kommuniziere die innere Einstellung. Stimme die verbale Aussage damit nicht überein, wirke man unsicher und unglaubwürdig. Sobald Gefühle mitschwingen, seien Mimik und Gestik kaum mehr zu kontrollieren.

Von Politikern lernen

Auf der Sachebene hingegen könne man mit disziplinierter Haltung und antrainierten Gesten zumindest kurze Zeit eine neutrale oder positive Wirkung erzeugen. Anschauungsbeispiele dafür sind Politiker wie der deutsche Ex-Kanzler Gerhard Schröder: Er habe sich bei Auftritten bewusst langsam und ausholend bewegt, was selbstbewusst, souverän und staatsmännisch wirkte.

"Mimik und Stimmmodulation können jedoch schlecht über längere Zeit verfälscht werden", warnt die Kommunikationstrainerin. "Tricks" wirkten schnell einmal aufgesetzt, und das Gegenüber nehme intuitiv wahr, dass irgendetwas nicht stimmt. Rita Mistelis Tipp: "Beobachten Sie nicht nur andere, sondern nehmen Sie auch sich selbst und ihre Wirkung bewusster wahr."

(Vera Sohmer, 2010)