Knobelfragen bei der Vorstellung

von Monster Contributor

Mit so genannten Brainteasern wollen Unternehmen die Kreativität und analytische Denkfähigkeit von Bewerbern testen. Doch die Aussagekraft dieser Knobelaufgaben ist fragwürdig.

Die Frage kam völlig unerwartet: "Eineinhalb Hühner legen an eineinhalb Tagen eineinhalb Eier. Wie viele Eier legt ein Huhn an einem Tag?" "Was soll denn das?", denkt sich der verdutze Bewerber und kommt erstmal ins Stottern. Wenn Personalmanager solche Knobelaufgaben alias Brainteaser stellen, wollen sie analytisches Denken, Kreativität und mathematisches Verständnis testen. Doch die Meinungen über die Bedeutung und Effektivität der Knobeleien gehen auseinander.

Gelassen mit den Knobeleien umgehen

Vor allem Unternehmensberatungen und Investmentbanken, aber auch die Unternehmen aus der Konsumgüterindustrie setzen auf solche Denksportaufgaben, behauptet Stefan Menden. Der Mitbegründer des Karrierenetzwerks squeaker.net beschäftigt sich schon seit etlichen Jahren mit den Denksportaufgaben und hat in seinem Buch "Das Insider-Dossier: Brainteaser im Bewerbungsgespräch" rund hundert Rateaufgaben gesammelt.

Damit will der 30-Jährige Bewerbern helfen, gelassener mit den überraschenden Knobeleien umzugehen. "Es geht nicht unbedingt um die Lösung, sondern um das strukturierte Vorgehen", erklärt Menden. Auf keinen Fall solle man daher sofort die vermeintliche Lösung herausposaunen. Denn die sei meist falsch. Zum Beispiel bei der Frage mit dem Ruderboot: Steigt oder sinkt der Wasserspiegel des Sees, wenn man den Anker lichtet? Der Pegel steigt, weil der schwere Anker das Boot tiefer ins Wasser sinken lässt und die dadurch verdrängte Wassermasse grösser ist als die des direkt im Wasser liegenden Ankers. Diese Lösung liegt nicht jedem sofort richtig auf der Zunge.

Immer sagen, was man gerade denkt

"Lehnen Sie sich erst mal zurück und zerlegen Sie das Problem", empfiehlt Knobel-Experte Menden daher. Wichtig sei vor allem, immer zu sagen, was man gerade macht. Das empfiehlt auch Just Schürmann. "Laut denken hilft einem über seine Nervosität hinweg und seine Gedanken zu strukturieren", sagt der für das Recruiting zuständige Geschäftsführer der Boston Consulting Group (BCG) in München. Dort setzt man Brainteaser allerdings nicht systematisch ein. "Es gibt spannendere Wege, um die analytische Schnelligkeit und Kreativität eines Kandidaten zu erfassen, zum Beispiel durch die Lösung einer Fallstudie", erklärt Schürmann.

Zudem seien die Aufgaben trainierbar. "Da wissen Sie nicht, ob die Antwort auf einer guten Spontanintelligenz oder einem Training basiert", sagt der BCG-Personalmanager. Das sieht Christoph Aldering, Diagnostikexperte bei Kienbaum in Gummersbach, genauso. Auch dort verzichtet man auf die Denksportaufgaben. Zudem hätten Brainteaser nichts mit dem Joballtag zu tun. "Wenn das zur Stolperfalle im Bewerbungsprozess werden kann, ist das Auswahlverfahren nicht sachgerecht konstruiert", erklärt der ausgebildete Psychologe. Schliesslich sollte eine fundierte Anforderungsanalyse Grundlage jedes Bewerbungsprozesses sein.

Kritik: Ergebnisse nicht aussagekräftig

Auch Heinz Schuler, Psychologieprofessor an der Universität Hohenheim, kommt in Sachen Brainteaser ins Rätseln. "Vermutlich stecken in richtigen, witzigen oder aus sonstigen Gründen überzeugenden Antworten verbale Intelligenz, Bildung, Kreativität, Schlagfertigkeit, Flexibilität und Humor", mutmasst der Experte für Testverfahren bei der Personalauswahl und kritisiert, dass dabei aber weder das Ergebnis aussagekräftig noch der Entscheidungsprozess transparent sei.

Wenn durch solche Aufgaben zusätzliche Informationen über Denkstrukturen, Herangehensweisen und Problemlösetechniken gewonnen werden können, spreche nicht viel dagegen, meint auch Rüdiger Hossiep, Psychologe an der Universität Bochum. Handele es sich jedoch lediglich um Quizfragen, habe man es nur mit einem intellektuellen Gimmick zu tun.

Geschick für sensible Themen testen

Aus diesem Grund verzichten auch die Personaler bei Procter&Gamble auf Brainteaser. Mit ungewöhnlichen Fragen wie "wie würden Sie Always-Binden in Pakistan vermarkten?" müssen Bewerber dagegen aber schon rechnen. Dabei sei jedoch vor allem Kreativität und interkulturelle Sensibilität gefragt, sagt Unternehmenssprecherin Petra Popall. Den Einsatz von Brainteasern im eigentlichen Sinn kann sie nicht bestätigen.

Brainteaser-Experte Stephan Menden hat indessen noch einen anderen Grund für die kniffligen Aufgaben ausgemacht. "Im Prinzip geht es darum, den Bewerber in eine unerwartete Situation zu versetzen und zu sehen, wie er damit umgeht", erklärt der Unternehmensberater, der selbst bei seinen Bewerbungen Brainteaser lösen musste. Dienen die Knobelaufgaben also nur dazu, den Bewerber zu verunsichern? "Genau das versuchen wir in dieser Situation zu vermeiden", sagt BCG-Personalmanager Just Schürmann. Ein Interview sei schliesslich nicht dafür da, seine Stressresistenz zu zeigen.

Zumindest bei BCG scheitert der Unternehmensberater in spe daher nicht an der Hühnerfrage. Auch wenn man dazu nur den einfachen Dreisatz braucht. Wenn eineinhalb Hühner an eineinhalb Tagen eineinhalb Eier legen, dann legt ein Huhn an eineinhalb Tagen ein Ei. Das wiederum bedeutet, dass ein Huhn an einem Tag ein Zwei-Drittel-Ei legt. Wie das geht, wird zum Glück nicht gefragt.

(Bärbel Schwertfeger)