Gute Manager können gut zuhören
Brillant reden wird in vielen Seminaren gelehrt. Aber was ist mit dem Zuhören? Es spielt eine untergeordnete Rolle in der Welt der Macher. Doch gerade für sie wäre es wichtig, die Ohren zu spitzen.
Kennen Sie den? Sitzt am Schreibtisch, in der linken Hand den Telefonhörer, die rechte mäandriert mit der Maus über die Tischplatte. Die Stirn in Konzentrations-Falten gelegt, hastet sein Blick vom Bildschirm zu den Papieren auf dem Tisch und schliesslich zu Ihnen: Er sei ganz Ohr.
Zuhören ist gar nicht so schwierig
"Schnelles Zuhören ist schlechtes Zuhören", sagt Othmar Fries, Management-Berater aus Adligenswil LU. Denn schnell sei eine Botschaft falsch verstanden. Schlimmer noch: Zwischentöne, oft wichtiger als das Gesagte, werden nicht wahrgenommen.
Dabei sei Zuhören gar nicht schwierig. Eigentlich. Aufmerksam müsste man halt sein, und interessiert. Sich auf den Menschen konzentrieren, der gerade spricht – und darauf, was er zu sagen hat.
Nachfragen ist wichtig
Doch zuhören allein reicht nicht; man sollte die Botschaft auch verstehen. Und das ist nicht einfach, denn viele Menschen drücken sich umständlich aus. Fries: "Erschwerend hinzu kommen Begriffe, unter denen nicht alle dasselbe verstehen."
Und viel Unausgesprochenes, von dem der Sprechende annimmt, der Zuhörer wisse es schon oder komme durch Mitdenken selbst drauf. "Nachfragen wäre angebracht, aber viele unterlassen es, machen sich lieber ihr eigenes Bild", sagt Fries.
Was das Gehirn uns vorspielt
"Zuhören hat nicht nur mit Sprache zu tun, sondern insbesondere mit Bildern", sagt Urs Osterwalder, Coach aus Zürich. Diese werden ausgelöst durch Worte und Gesten – nicht die tatsächlichen, sondern die wahrgenommenen. Davon machen wir uns ein Bild.
Othmar Loser-Kalbermatten, Psychologe aus Luzern, ergänzt: "Das Hirn nimmt Impulse von Aussen auf und beginnt sofort, sie zu ordnen und zu werten – es konstruiert permanent unsere individuelle Wirklichkeit." Das Fatale daran: Nach 5 Sekunden meinen wir, das eben Ausgedachte sei wahr – wir identifizieren uns damit. "Und wir vergessen sofort, dass unsere Sicht der Dinge nicht objektiv ist, sondern eben gerade selbst erdacht."
Sich selbst zuhören
Dagegen helfe, sich selbst zuzuhören. Loser-Kalbermatten: "Ich achte darauf, was in meinem Kopf abgeht. Ich muss mir bewusst sein, dass ich dauernd meine eigenen Realitäten konstruiere." Das mache uns offener, wir seien eher bereit, uns auf Ideen und Gedanken anderer einzulassen. Und man erkenne, dass andere Menschen ihre Realität anders konstruieren – nicht richtiger oder weniger richtig als die eigene, anders halt.
Wird bei Führungskräften das zuhören Können als Kernkompetenz vorausgesetzt? Fries: "Niemand bestreitet, dass Zuhören ebenso wichtig ist wie das klare und verständliche Reden." Dennoch bemühten sich Führungskräfte in der Regel viel mehr um gutes Sprechen als um gutes Zuhören. "Für diese Fähigkeit wird wenig getan, weil man glaubt: Wer Ohren hat zu hören, hört doch von selbst."
Manager sind gute Macher, aber nicht immer gute Zuhörer
Loser-Kalbermatten: "Zuhören gehört zu den so genannten Softskills wie Kommunikations- und Beziehungskompetenz." Diese würden in der Ausbildung nicht genügend gefördert. Das habe auch mit dem Rollenideal zu tun: Der Manager ist ein Macher, ist aktiv, ein Leader. "Glauben Sie, dass dieser Mensch auch zuhören kann?" Als Psychologe stufe er die in Führungsetagen leider wenig verbreitet Fähigkeit des Zuhörens als sehr wichtig ein.
Eine Fähigkeit, die andernorts unmittelbar über Leben oder Tod entscheiden kann: Tel. 134 – Die dargebotene Hand. Hier rufen Menschen an, die nicht mehr weiter wissen. Auch solche, die ihre Angehörigen nicht belasten wollen mit ihren Problemen. Und es rufen Menschen an, denen niemand zuhört. Professionelles Zuhören ist gefragt – worauf kommt es an?
Zuhören bedeteut auch Zutrauen
Tony Styger, Stellenleiter Zürich: "Die Gespräche werden ergebnisoffen geführt, das lässt Raum für kreative Lösungen." Die individuelle Wahrnehmung des Gesprächspartners, seine Realität, werde wertfrei erkundet und anerkannt. "Dazu braucht es Respekt, Offenheit, eine Haltung des Nicht-Wissens." Es bedeute auch: Dem Anderen zutrauen und zumuten, Verantwortung zu übernehmen. "Zuhören hat etwas mit begegnen zu tun – und eine Begegnung ist mehr als Worte."
Manch gestresste Führungskraft mag einwenden, die Leute von der Dargebotenen Hand hätten halt Zeit zum Zuhören. Maja Wyss, Stellenleiterin Zentralschweiz: "Die Zeit spielt heute sicherlich eine Rolle, wir sind alle sehr beschäftigt und müssen viel erledigen." Klar sei aber auch, dass jeder hauptsächlich auf sich selber fokussiert sei, darauf, seine Bedürfnisse zu befriedigen. "Wir selektieren aus der Flut an Informationen, was diesem Ziel dient – wir hören nur da hin, wo das Zuhören uns etwas bringt."
Miteinander statt gegeneinander
"Wir stehen weltweit vor dem Problem, dass Menschen gegeneinander statt miteinander reden", sagt Loser-Kalbermatten. Zu beobachten in TV-Sendungen, in Parlamenten, in Firmen, in Beziehungen. "Wir reden aneinander vorbei, hören nicht zu. Und wir wissen immer genau, was Sache ist und wie das Problem gelöst werden muss." Die Folgen: Beziehungen scheitern, in der Politik werden polarisierende Schlagworte plakatiert, in den Firmen Berater zugezogen und berühmte Namen eingekauft – statt auf eine lernende Organisation hinzuarbeiten.
Kann man es lernen, das Zuhören? "Es gibt Seminare, in denen Zuhören gelehrt und gelernt wird", sagt Fries. Nützlich seien vor allem jene Kurse, wo nicht nur theoretisch vermittelt, sondern praktisch geübt wird. Loser-Kalbermatten plädiert für den Bohmschen Dialog (siehe Box). "Im Dialog kommen Menschen zusammen, um gemeinsam zu denken, miteinander zu erkunden, gemeinsam nach Lösungen zu suchen."
(Vera Sohmer, 2009)
Gründe, nicht zuzuhören:
- wir meinen, keine Zeit zu haben
- wir meinen, wir wissen etwas besser
- wir meinen zu wissen, was gesagt wird
- etwas lenkt uns ab
- wir mögen den Sprecher / die Sprecherin nicht
- wir hören nur, was wir hören wollen
- wir ziehen voreilige Schlüsse
- wir würden lieber selbst reden
- wir hören so lange zu, bis wir unterbrechen können (und hören damit nicht zu)
Gutes Zuhören bedingt beispielsweise:
- Paraphrasieren – das Gehörte wird in eigenen Worten wiederholt
- Inhalte reflektieren – das Gehörte zusammenfassen
- Empathie zeigen – sich in die Gefühlswelt des Erzählenden versetzen
- Informationen selektieren:
- Ignorieren Sie unwichtige Botschaften vollständig.
- Schenken Sie dafür jenen Botschaften, die es Wert sind, Ihre volle Aufmerksamkeit.
- Rahmenbedingungen schaffen:
- nicht zwischen Tür und Angel
- weg vom Computer, den E-Mails, dem Telefon
- Tür zu oder eine ruhige Ecke aufsuchen
- Handy ausschalten
- Wer aufmerksam zuhört, stellt Fragen.