Fair verhandeln mit Erfolg
Was ich nicht bekomme, nimmt sich der andere? Verhandeln verwechseln viele mit Verteilungskämpfen. Dabei haben von einer guten Verhandlung alle Beteiligten etwas.
Wer verhandelt besser um seine Anstellungsbedingungen? Derjenige, der in den Ring steigt und fest entschlossen ist, seine Interessen durchzuboxen? Oder derjenige, der sich auf den erstbesten Kompromiss einlässt, um Konflikte zu vermeiden?
Harte Kämpfe und faule Kompromisse vermeiden
Der Zürcher Verhandlungsberater Ulrich Egger drückt es diplomatisch aus: «Beides ist suboptimal.» Der Kämpfer wird allenfalls einen kurzfristigen Erfolg verbuchen, auf lange Sicht jedoch die Beziehung zu seinen Verhandlungspartnern aufs Spiel setzen.
Wer sich hingegen über den Tisch ziehen lässt, ärgert sich hinterher – über sich selbst und erst recht über den Vorgesetzten, der ihn mit einem schlechten Angebot abgespeist hat. Auch dies ist für die künftige Zusammenarbeit eine denkbar schlechte Basis. Zudem hat man in beiden Fällen eine Chance vertan: Nämlich die, zu einer Lösung zu finden, mit der alle Beteiligten zufriedener sind als vorher.
Immer fair bleiben
Egger lehrt die Verhandlungsmethode nach dem Harvard-Konzept. Demnach hinterlässt eine gute Verhandlung weder Sieger noch Verlierer. Sie schafft ein Ergebnis, von dem beide Seiten profitieren. Dabei würden weder Kompromisse gesucht, um den Frieden zu wahren, noch gehe es um Harmonie. Sondern darum, Interessenkonflikte und Meinungsverschiedenheiten fair auszutragen.
Falsch sei auch die Annahme, jede Verhandlung müsse mit einem Resultat enden. «Lieber ein friedlicher Dissens als ein fauler Kompromiss», sagt Egger. Denn es bestehe kein Zwang zum Konsens. Findet man kein befriedigendes Ergebnis, wird eine weitere Verhandlungsrunde einberufen. Vor der man natürlich ein paar Hausaufgaben erledigt haben sollte: Die eigenen Interessen überprüfen und gewichten; diese dann wiederum deutlich vertreten. Und die Beziehung zum Verhandlungspartner weiter pflegen. Denn: Wo fair verhandelt wird, bleibt kein Groll zurück.
Auf der Sachebene bleiben
Man sollte die Person, mit der man am Verhandlungstisch sitzt, als Teil der Lösung betrachten, nicht als Teil des Problems, rät die Zürcher Organisations- und Unternehmensberaterin Marianne Roth von roth-consult. «Es bringt nichts, negative Gefühle auf den Chef zu projizieren.»
Ein Punkt, den viele falsch machen: Sie vermengen das, was sie für die Person empfinden, mit dem, worum es in der Verhandlung eigentlich geht. Klug ist, auf der Sachebene zu bleiben – und seinem Visavis wohlwollend gegenüberzutreten.
Wissen, was man will
Wichtig auch: Wer erfolgreich verhandeln will, muss genau wissen, was er will. Was genau ist der Verhandlungsgegenstand? Was will ich erreichen? Welche Optionen habe ich? Wo liegt für mich die Grenze des Akzeptablen? Wesentlich ist darüber hinaus, sich in die Lage des Gegenübers hineinzuversetzen (siehe «Nachgefragt bei ... Jérôme Racine, Verhandlungsberater, Sumbiosis Zürich»).
«Wenn ich die Interessen des anderen nicht ernst nehme oder seine Sicht der Dinge abwertend kommentiere, wird er auch nicht bereit sein, auf mich einzugehen», sagt Ulrich Egger. Dasselbe gelte auch umgekehrt. Wer den Eindruck hat, seine Interessen und Sichtweisen würden missachtet, sollte dies sagen – und zwar deutlich.
Emotionen zulassen - aber richtig
Was tun, wenn einem am Verhandlungstisch der Kragen platzt? Das kann passieren und ist je nach Anspannung völlig normal, sagt Egger. Wird man ungeduldig, reagiert man wütend oder beleidigt, sollte man sich klar darüber werden, was die starken Emotionen auslöst: Hört der Verhandlungspartner nicht richtig zu? Lenkt er vom Thema ab? Oder wird mir bewusst, dass ich nicht schlüssig argumentiere? Hätte ich mich besser vorbereiten sollen?
Emotionen also nicht ausklammern oder gar verdrängen – sondern kommunizieren und zulassen. Das erfordere zwar Mut, wirke sich aber meist konstruktiv auf den Verhandlungsverlauf aus. Zumal man so einfacher damit umgehen kann, wenn sich beim Visavis ähnliche Gefühle zusammenbrauen. Auch hier gilt der Grundsatz: Stets unterscheiden zwischen dem Verhandlungsgegenstand und der Beziehung zum Verhandlungspartner – denn die nächste Verhandlungsrunde kommt bestimmt.
Wie Sie sich vorbereiten
Ihre Interessen benennen und gewichten. Bei einer Gehaltsverhandlung beispielsweise mit einem einwandfreien Leistungsausweis sowie auch mit unabhängigen Gehaltsvergleichen dokumentieren, dass das Anliegen legitim ist.
Sich Klarheit verschaffen über den Grad der Abhängigkeit vom Gegenüber.
Sicherstellen, dass auf beiden Seiten die richtigen Leute sitzen.
Unvereingenommen zuhören.
Akzeptieren, dass es Überraschungen geben kann.
Prüfen, ob es mit den Verhandlungspartnern Beziehungsprobleme gibt, die zu klären sind.
Welche Fehler Sie vermeiden sollten
Verhandeln als Machtkampf verstehen.
Zu schnell resignieren, wenn Vorgesetzte keine Lust zum Verhandeln zeigen.
Unterwürfigkeit oder Überheblichkeit.
Drohen oder bluffen.
Unvorbereitet sein.
Wie Sie sich ins Aus manövrieren
Sie sind stur.
Sie sind voreingenommen.
Sie schätzen die Sichtweise des Gegenübers falsch ein.
Sie verlassen sich auf ungeprüfte Annahmen, was die Interessen des Gegenübers betrifft.
Sie haben einen verletzenden Umgangston, sind rücksichtslos.
Sie ignorieren Emotionen oder deuten sie falsch.
Wenn Sie abgeblitzt sind
Enttäuschung zeigen, aber ohne Schuldzuweisung.
Geordneten Rückzug antreten.
Über die Bücher gehen.
Neu verhandeln.