Expatriates - im Ausland hat die Liebe Grenzen
Gemeinsam arbeiten in Dubai oder Singapur – für Karrierepaare ein schöner Traum. Die Realität sieht anders aus: Für Partnerinnen von Expat-Managern fehlen attraktive Jobs. Paare nehmen deshalb Fernbeziehungen in Kauf.
Von Vera Sohmer
Für Liebende, die auf verschiedenen Kontinenten leben, ist es zweifellos ein Fortschritt, sich beim Telefonieren sehen zu können. Schön wäre, sich dabei auch zu riechen. Und zu spüren. Doch darauf müssen Andreas Baumeister und Ana Jakob* seit zwei Jahren die meiste Zeit verzichten: Die Distanz zwischen dem Paar beträgt Tausende von Kilometern, die Reisezeit mehr als 18 Stunden.
Job im Ausland: Oft ist eine Fernbeziehung unumgänglich
Mal eben in den Flieger steigen, das liegt nicht drin. "Im vergangenen Jahr haben wir uns fünfmal gesehen, natürlich ist das zu wenig", sagt der 50jährige Andreas Baumeister.
Dennoch haben sich beide für eine Fernbeziehung entschieden – weil es unmöglich war, ihre Karrieren unter einen Hut zu bringen. Andreas Baumeister leitet die Ländergesellschaft eines Schweizer Konzerns auf einem asiatischen Inselstaat. Ana Jakob hingegen hat sich in Süddeutschland etabliert: Sie arbeitet Teilzeit als Personalchefin bei einer Ingenieurfirma, ist Privatdozentin in der Erwachsenenbildung sowie freiberufliche Trainerin für Managementtechniken.
Expatriates: Pendeln zwischen den Kontinenten
Die 46Jährige hatte sich überlegt, ihren Lebensgefährten nach Asien zu begleiten, landete aber schnell auf dem Boden der Realität. Das deutsche Konsulat konnte ihr keinerlei Hoffnung machen auf einen interessanten Job, geschweige denn auf eine Arbeitserlaubnis. Hätte es für Ana Jakob eine berufliche Perspektive in dem fernen Land gegeben, wäre sie mitgegangen.
Lieber eine Fernbeziehung in Kauf nehmen als die eigenen Karrierepläne aufgeben – berufstätige Paare wählen diesen Weg immer öfter. Vor allem wenn sie jünger sind und keine Kinder haben. Die Paare pendeln zwischen den Kontinenten, und das oft für mehrere Jahre.
Gemeinsame Karriere im Ausland ist selten möglich
Laut einer Studie der Universität Düsseldorf wollen bei 40 Prozent der jüngeren Paare beide Partner Karriere machen. Dies gemeinsam im Ausland zu tun, ist schwierig bis unmöglich. Vor allem für Frauen sind die Aussichten schlecht. Denn in den meisten Fällen sind es Männer, die von ihren Firmen ins Ausland gesandt werden – in den asiatisch-pazifischen Raum etwa oder in den Mittleren Osten.
Für mitreisende Ehefrauen oder Lebensgefährtinnen bleibt meistens die klassische Rolle: Hausfrau sein, den repräsentativen Part übernehmen, sich vielleicht karitativ oder kulturell engagieren. Und sich mit Schicksalsgenossinnen in Expatriate-Clubs austauschen – ein Leben in der Enklave. Früher waren mehr Frauen bereit dazu. Heute sind auch sie top ausgebildet, verfolgen ihre Laufbahn. Damit habe sich die Ausganglage geändert, heisst es beim Spouse Career Centre in Basel. Dieses berät unter anderem Schweizer Paare, bei denen ein Aufenthalt in Singapur geplant ist.
Kaum Konzepte für Doppelkarrieren von Expats
Was wird aus den Karriereplänen meiner Partnerin oder meines Partners? Eine der wesentlichen Fragen, die potentielle Expatriates zu beantworten haben. Das bestätigt eine weltweite Studie, für die Beschäftige aus 154 Unternehmen befragt wurden.
Danach ist die mangelnde Karriereaussicht des Partners zweithäufigster Grund, einen Aufenthalt im Ausland abzulehnen. Auch in der Schweiz reissen sich Manager nicht um Auslandseinsätze, unter anderem wegen der unbefriedigenden Job-Situation für die Partner. "Es kommt immer wieder vor, dass deswegen ein Auslands-Engagement nicht zustande kommt", sagt ABB-Sprecher Lukas Inderfurth.
Gehalt als Ausgleich
In den Firmen sei das Problem bekannt, sagt Franziska Bischof-Jäggi vom Beratungsunternehmen Familienmanagement GmbH. Dennoch setzten sich die wenigsten für die Partnerinnen der Mitarbeiter ein. Konzepte für Doppelkarrieren gebe es selten, und wenn, seien sie kaum umsetzbar. "Partner im selben Unternehmen zu platzieren, ist oft nicht gewünscht, weder von den Firmen noch von den Managern", sagt Kadervermittler William Dapreda. Je nach Land bestehe allenfalls die Möglichkeit, in ausländischen Niederlassungen von Konzernen oder internationalen Zulieferfirmen nachzufragen, ob gerade eine passende Stelle frei ist.
Dass die berufliche Situation des Partners eine untergeordnete Rolle spielt, diese Erfahrung hat Expat-Coach Ralf Borlinghaus aus Kreuzlingen gemacht. "Die Firmen wollen in erster Linie den geeigneten Funktionsträger ins Ausland schicken." Zögert dieser, werde oft mehr Geld geboten – auch um den zu erwartenden Lohnausfall der Frau etwas zu kompensieren.
Grössere Unternehmen bieten Relocation-Services
Was mitreisende Angehörige noch am ehesten erwarten dürfen, ist eine gewisse Starthilfe: Grössere Firmen engagieren Relocation-Services. Diese helfen, Administratives und Organisatorisches zu erledigen, fädeln erste Kontakte ein. Das macht es leichter, sich im fremden Land zurecht zu finden. Direkte Hilfe bei der Jobsuche ist aber die Ausnahme – und freilich mit keiner Garantie verbunden.
Auch Andreas Baumeisters Konzern bot keine Hilfe an, für Ana Jakob eine Stelle zu finden. Das haben die beiden aber auch nicht erwartet. Statt dessen wählten sie eine Lösung, mit der sie leben können. Nicht auf Dauer, aber bis auf weiteres.
Zweisamkeit wird ein wichtiges Gut
Wie lange Andreas Baumeister in Asien sein wird, ist offen. Normalerweise sei ein Auslandeinsatz auf maximal 5 Jahre begrenzt. Eine lange Zeit. Und Ana Jakob dachte zuweilen schon daran, die Zelte doch noch abzubrechen, verwarf die Idee aber wieder. Zumal sie als selbständige Managementtrainerin inzwischen gute Aufträge hat. Aber manchmal empfindet sie die Fernbeziehung schon belastend. Und kommt ins Grübeln: "Wir müssen beide unser Leben selbst am Laufen halten, wir können uns dabei nicht unterstützen, selbst wenn wir es gerne tun würden."
Und die Glücksmomente? "Natürlich wenn wir zusammen sind", sagt Ana Jakob. Sie hatte befürchtet, es sei ein Problem, nach langer Trennung wieder zueinander zu finden. Aber wenn sie sich dann sehen, ist es so, als seien sie nie getrennt gewesen. Allerdings muss sich das Paar den Freiraum für die Zweisamkeit erkämpfen: Andreas Baumeister ist in Asien stark eingespannt, man erwartet seine Anwesenheit, auch am Abend und an den Wochenenden. Privatsphäre werde zum kostbaren Gut – "selbst wenn meine Partnerin hier bei mir ist."
* Namen geändert