Etikette beim Geschäftsessen
Wie sitzt man "richtig"? Darf Alkohol bestellt werden? Was, wenn ein Fauxpas passiert? Mit ein bisschen Knigge-Wissen gelingt das nächste Business-Meeting im Restaurant.
Es kann fast jeden erwischen: Ob als Bewerber im Assessment Center oder als Mitarbeiter, den der Chef für eine Beförderung ins Auge gefasst hat - es gibt unzählige Anlässe, zu denen man zum geschäftlichen Essen eingeladen werden kann. "Und dann fühlen sich viele Leute sehr unsicher", lautet Anita Aeberhards Erfahrung.
Die Imageberaterin und Knigge-Trainerin aus Berg in der Schweiz sagt: "Das Schwierige dabei ist ja, dass die Kommunikation im Vordergrund steht und nicht das Essen." Dass es sich darum von selbst verbietet, "schwierige" Gerichte zu bestellen, sollte selbstverständlich sein. Man erinnere sich nur an den Film "Pretty Woman" und Julia Roberts Versuch Schnecken zu verspeisen, der in dem unvergessenen Kommentar "Schlüpfrige Scheisserchen" gipfelt.
Pünktlichkeit zeigt Wertschätzung
Doch bis zum Bestellen muss man erst einmal kommen. Die Tücken des Geschäftsessens lauern schon viel früher. "Man soll auf jeden Fall pünktlich sein - rechtzeitig einzutreffen zeigt Wertschätzung", sagt Gabriele Albeseder, Trainerin für Business-Etikette aus Wien. "Ich bin immer fünf Minuten vor dem Termin da", betont auch Meike Slaby-Sandte, Knigge-Expertin und Coach aus Buxtehude. "Wenn der Gastgeber noch nicht da sein sollte, wartet man in der Lobby oder - falls es keine gibt - lässt sich schon an den Tisch führen."
Auch ein Getränk bestellen darf der Wartende. Aber für den Anfang auf keinen Fall etwas Alkoholisches. Wie man es später mit Aperitif und Wein hält, hängt von der Situation ab. Abends kann man eher mal ein Glas Alkohol bestellen, sollte sich dabei allerdings nach den anderen Anwesenden richten. Mittags verzichtet man besser ganz darauf. "Es ist eine der peinlichsten und schädlichsten Situationen, die man sich vorstellen kann, wenn der Gesprächspartner merkt, dass man auf den Alkohol reagiert", warnt Gabriele Albeseder.
Zu spät zum Termin?
Wer zum Geschäftsessen eingeladen ist und zu spät kommt, sollte immer eine nachvollziehbare Entschuldigung präsentieren. Die Parkplatzsuche eignet sich dafür nur bedingt. Dass wenig Parkraum zur Verfügung steht, weiss man meistens schon vorher - und hätte entsprechend früh losfahren können.
Wenn absehbar ist, dass man nicht rechtzeitig ankommen wird, kurz beim Gastgeber anrufen und sich zum Beispiel mit der Verzögerung eines vorangegangenen Termins entschuldigen. "Kommt man dann an und die Leute essen schon, geht man aber nicht zu jedem hin und reicht ihm die Hand", erklärt Anita Aeberhard. Eine Begrüssung und Entschuldigung in die Runde reicht dann aus.
"Allerdings hängt viel von der Souveränität des Gastgebers ab, wie gut eine solche Situation gelingt", sagt sie. Wird noch nicht gegessen, aber man sitzt schon am Tisch, stehen die bereits Anwesenden zur Begrüssung kurz auf. "Selbstverständlich machen das heute auch die Damen", sagt Gabriele Albeseder.
Den Kellner fragen
Wie aufwändig das Essen sein darf, das man ordert, hängt von der Zeit des Gegenübers ab. "Falls nur eine Dreiviertelstunde Raum für die Besprechung ist, bestellt man sich kein Drei-Gänge-Menü", sagt Meike Slaby-Sandte. Am besten, die Teilnehmer sprechen sich vorher ab, wie viel Zeit ihnen für das Treffen zur Verfügung steht. Wer sich mit den Speisen und Getränken auf der Karte nicht gut auskennt, darf den Ober fragen, was dieser empfiehlt. "Das ist nicht peinlich, das hat im Gegenteil etwas sehr Souveränes", betont die Etikette-Trainerin aus Buxtehude.
Wird Brot gereicht, um die Wartezeit bis zur Hauptmahlzeit zu überbrücken, wird davon immer ein Stückchen abgebrochen, gegebenenfalls mit Aufstrich versehen und in den Mund gesteckt. Nie darf vom Brot abgebissen werden. "Obwohl das inzwischen etwas altmodisch wirkt, gilt es aber immer noch als ein grosser Fauxpas", erklärt Gabriele Albeseder aus Wien.
Themen beim Smalltalk
Auch wenn beim Geschäftsessen der Name Programm ist - zu früh sollte man die Arbeit nicht auf den Tisch bringen. "Generell sagt man, nach dem Essen ist der richtige Zeitpunkt dafür", hebt Anita Aeberhard hervor. Zuvor widmet man sich dem Smalltalk. "Gute Einstiegsthemen sind immer das Wetter oder das Restaurant, in dem man sich befindet."
Sport, Kultur, das aktuelle Tagesgeschehen - ausgenommen politisch besonders kritische Themen - sind ebenfalls gut für die harmlose Plauderei. Und nicht vergessen: "Smalltalk heisst 'kurzes Reden': Jeder soll mal zu Wort kommen, es dürfen keine langen Vorträge gehalten werden", betont die Schweizer Etikette-Expertin.
"Hatten Sie eine gute Anreise?" sei allerdings ein völlig abgedroschener Gesprächseinstieg, meint Meike Slaby-Sandte. "Als Alternative könnte man etwas sagen wie: ,Ich freue mich, Sie endlich einmal persönlich kennen zu lernen’", rät sie. Anita Aeberhard weist auf die Tabuthemen beim Smalltalk hin: "Politik und Religion, Krankheiten und Tod sowie Geldsorgen - private wie geschäftliche - eignen sich nicht für die Unterhaltung beim Geschäftsessen."
Sitzen - gar nicht so einfach
Auch wie man während eines Geschäftsessens sitzt, zeigt die Wertschätzung, die man seinem Gegenüber entgegenbringt - und schlicht und einfach, ob man sich zu benehmen weiss. "Die beste Sitzhaltung ist gerade, aber nicht stocksteif", erklärt Meike Slaby-Sandte. Die Ellenbogen gehören dabei nicht auf den Tisch. "Nach dem ersten Gang kann man sich aber mal zurücklehnen oder auch die Ellenbogen auf den Tisch stützen, um die Hände zusammenzulegen", so Anita Aeberhard. Das Kinn mit den Händen abzustützen sei jedoch absolut tabu. "Und kommt dann der nächste Gang, muss man natürlich wieder 'schön' sitzen."
Zeit zu gehen
Geht der Termin dann seinem Ende entgegen, signalisiert das in der Regel der Gastgeber. "Wer früher gehen muss, kann das tun - informiert dann aber den Gastgeber und liefert ihm eine Begründung", betont Gabriele Albeseder. "Sonst wartet man darauf, dass der Gastgeber die Veranstaltung auflöst." Das tut dieser zum Beispiel mit einem Satz wie "Und wer mag, geht jetzt mit mir noch an die Bar".
Ob man sich dieser Aufforderung anschliesst, liegt im Ermessen des Gefragten. Die Gelegenheit zum informellen Netzwerken sollte man sich allerdings nur entgehen lassen, wenn man wirklich in Zeitnot ist. Beim potenziellen Chef oder dem neuen Kunden schlägt man so eine Offerte natürlich nie aus.
Und wenn ein Fauxpas passiert?
Gerade, wenn man sich bemüht, alles richtig zu machen, geht oft mal was daneben. Und dann? "Das Beste wäre, so schlagfertig zu sein, dass man selbst darüber lachen kann", sagt Meike Slaby-Sandte. "Aber das können nicht viele." Also hänge es von der Reaktion der anderen ab, wie peinlich die Situation werde. "Passiert einem anderen ein Fauxpas ist es am besten, man sagt etwas wie 'Das passiert doch jedem mal' und geht möglichst schnell über die Situation hinweg."
Dazu rät auch Gabriele Albeseder. "Natürlich fürchtet sich jeder davor, ins Fettnäpfchen zu treten", sagt sie. "Aber das kann tatsächlich jedem passieren und man sollte sich vor einem solchen Termin bewusst machen, dass auch ein Fauxpas keine Katastrophe wäre. Entschuldigen Sie sich einfach kurz und bündig."
(Andrea Pawlik / Bild: Digital Vision)
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Wenn sich die Tischrede dem Ende zuneigt, wird es ernst mit dem Geschäftsessen. Das richtige Verhalten bei Tisch verrät Ihnen unsere Checkliste. [04.04.2007]
- Kleidung: Mit dem klassischen Business-Dress ist man gut bedient. Abends darf es etwas feierlicher sein. Das Jackett behält man an - ausser auch der Gastgeber legt es ab.
- Rauchen: wenn überhaupt, erst nach dem Hauptgang. Unbedingt vorher fragen, ob es den anderen Recht ist - und nicht beleidigt sein, wenn sie verneinen.
- Begrüssung: Wenn man jemanden vorstellt, sollte zum Namen ein "Aufhänger" genannt werden - damit gleich ein Gesprächsthema da ist. Begrüsst wird nach dieser Hierarchie: zunächst der Ranghöchste oder der Kunde, dann der Älteste in der Runde, dann die Damen, dann gegebenenfalls weitere Herren.
- Serviette: Sie wird vor dem Essen auf den Schoss gelegt, im Anschluss oder wenn man zwischendurch kurz den Tisch verlässt, links neben den Teller. Vor dem Trinken säubert man die Lippen mit der Serviette.
- Amuse Geule: Den "Gruss aus der Küche", der oft vorab gereicht wird, isst man mit dem mitgelieferten Besteck. Ist keines dabei, nimmt man die Finger. Nicht das eingedeckte Besteck benutzen.
- Besteck: Das eingedeckte Besteck benutzt man von aussen nach innen. Hatte man das Besteck einmal in der Hand, wird es als umgekehrtes "V" in der "20 nach 8"-Stellung auf den Teller gelegt und berührt nicht mehr die Tischplatte. Ist man fertig mit Essen, legt man das komplette Besteck auf "20 nach 4".
- Suppenlöffel: Macht man eine Pause, legt man ihn auf der Untertasse ab. Nie in der Suppe stehen lassen!
- Teller: Man schiebt den Teller nicht von sich, wenn man mit dem Essen fertig ist. Er bleibt stehen, wo er ist - bis der Kellner ihn abräumt.
- Wein: Man trinkt keinen Wein, während man Salat isst. Wird zum nächsten Gang ein neuer Wein eingeschenkt, lässt man den vorherigen stehen. Das Glas fasst man am Stiel an. Wer keinen Wein trinken mag, kann mit den anderen auch mit Wasser anstossen. Es ist nicht unhöflich, Alkohol abzulehnen!
- Rechnung: Sie sollte vom Eingeladenen nicht eingesehen werden können. Der Gastgeber zahlt nicht am Tisch.
(Andrea Pawlik)