Bewerber unter der Lupe
Bei der Auswahl des Personals setzen auch IT-Unternehmen auf bewährte Verfahren wie Vorstellungsgespräche oder Assessment-Center. Bewerber erhöhen mit einer guten Vorbereitung ihre Chancen auf die vakante Stelle.
Credit Suisse ist mit rund 3000 IT-Fachkräften einer der grössten IT-Arbeitgeber der Schweiz. Bevor die Grossbank Kandidaten zu einem Gespräch einlädt, prüft die Personalabteilung zunächst das Bewerbungsdossier genau. "Wichtige Kriterien dabei sind Ausbildung, Erfahrung, Branchenkenntnisse sowie Vollständigkeit und Erscheinungsbild des Dossiers", betont Barbara Belser, Head HR Business Partner IT Schweiz bei Credit Suisse.
Mehrstufiges Auswahlverfahren
Je nach Stellenprofil und Zielgruppe (zum Beispiel Hochschulabsolventen, Berufserfahrene) unterscheidet Credit Suisse die Anforderungen in Bezug auf Fach-, Methoden- und Persönlichkeitskompetenz. Entsprechend setzt die Bank nach Prüfung der Bewerbungsunterlagen Telefon-Interviews, strukturierte Interviews oder Einzelassessments zur Auswahl neuer Mitarbeiter ein. Dazu Barbara Belser: "Ziel dieser Verfahren ist es, eine grössere Vergleichbarkeit und Objektivität in der Beurteilung der Kandidaten zu erreichen und somit eine höhere Qualität bei der Anstellung von Mitarbeitenden."
Ähnlich wie Credit Suisse setzt auch Accenture Schweiz auf ein mehrstufiges Auswahlverfahren. Nach Prüfung der eingereichten Unterlagen führt das Unternehmen unabhängig von der ausgeschriebenen Stelle und den geforderten Qualifikationen im ersten Schritt telefonische Bewerberinterviews. "Verlaufen diese erfolgreich, folgt bei Hochschulabsolventen und Young Professionals mit bis zu zwei Jahren Berufserfahrung eine Einladung zu einem eintägigen Assessment Center", erklärt Cornelia Lass, Leiterin Recruiting Accenture Schweiz. Direkt im Anschluss an das Assessment Center bekommen die Kandidaten ein umfassendes inhaltliches Feedback und auch die Rückmeldung, ob sie ein Angebot von Accenture erhalten.
Assessment-Center und Interviews
Bei Bewerbern mit zwei bis drei oder mehr Jahren Berufserfahrung folgen nach dem telefonischen Interview mehrere persönliche Gespräche mit verschiedenen Beratern und Geschäftsführern von Accenture. "Das persönliche Gespräch vermittelt am ehesten einen umfassenden Eindruck von der Person. Zudem geben die strukturierten und fachlichen Interviews uns als Arbeitgeber einen Einblick in die bisher geleistete Arbeit und auch über die zukünftige berufliche Ausrichtungen des Kandidaten", so Cornelia Lass.
Auf Persönlichkeits- oder Intelligenztests oder graphologische Gutachten verzichten die beiden Unternehmen weitgehend. Sie spielen allgemein bei der Bewerberauswahl in der Schweizer IT-Branche eine eher geringe Rolle. Daher konzentriert sich dieser Artikel auf Assessment Center und Bewerber-Interviews.
Stress im Assessment-Center
Viele Unternehmen nutzen mittlerweile Assessment Center (AC) bei der Auswahl ihrer Mitarbeiter. Jedes Unternehmen setzt bei diesem Auswahlinstrument eigene Schwerpunkte, jedoch lassen sich gemeinsame Grundzüge und typische Elemente erkennen. Ein AC simuliert vor allem praxisbezogene Situationen mit am künftigen Aufgabengebiet des Kandidaten orientierten Problemlösungs- und Entscheidungsaufgaben (zum Beispiel Diskussion und Entscheidung eines strittigen Themas, Prioritätensetzung für divergierende Aufgaben und Ziele etc.). Sofern erforderlich, erhalten die Teilnehmer hierzu auch Unterlagen oder andere Hilfsmittel sowie Zeit zur Vorbereitung.
Um die individuellen Stärken des Bewerbers und sein Verhalten in der Gruppe herauszuarbeiten, enthält ein gutes AC sowohl Aufgaben, die als Gruppe zu bearbeiten sind ( Rollenspiele, Diskussionen), als auch Einzelaufgaben (Kurzvortrag, individuelle Bearbeitung einer Fallstudie, Selbstvorstellung). Auf diese Weise treten Qualifikationen wie Fähigkeit zur Problemlösung (Organisationstalent, Analysevermögen, Kreativität), Kommunikations-Kompetenz (Überzeugungskraft, Kooperationsbereitschaft, Diskussionsfähigkeit) oder Leistungsverhalten (Belastbarkeit, Motivation, Beharrlichkeit und Ausdauer) zutage. Accenture Schweiz beispielsweise geht es in seinem AC für Hochschulabsolventen vor allem darum, die Teamfähigkeit der Bewerber herauszufinden.
Gut vorbereitet in das Interview
Für die Kandidaten bedeutet ein Assessment Center Stress pur. Sie stehen unter dauernder Beobachtung, da sie vor Psychologen, Mitgliedern der Personalabteilung und ihren zukünftigen Vorgesetzten eine Vielzahl von Übungen absolvieren müssen. Zur Vorbereitung gibt es aber mittlerweile an vielen Universitäten oder bei Berufsverbänden Assessment Center-Workshops, in der die Bewerber üben können. Grundsätzlich gilt: Sie sollten sich in einem Assessment Center authentisch verhalten und nicht "schauspielern". Gleichzeitig sind beispielsweise Rhetorikkurse zur Stärkung der Kommunikationskompetenz sinnvoll.
Authentizität ist auch bei einem Vorstellungsgespräch sehr wichtig. Denn wer es bis zum Interview geschafft hat, den will das Unternehmen persönlich etwas näher kennen lernen und einen Eindruck vom Äusseren, dem Verhalten, Körpersprache und den Ansichten des Bewerbers gewinnen. Ziel ist es auszuloten, ob der Bewerber von der Persönlichkeit und Fachkompetenz her in das Unternehmen oder das Team passt. Ein gut vorbereiteter Kandidat braucht das Vorstellungsgespräch nicht zu fürchten.
Ziele formulieren
Barbara Belser von Credit Suisse rät den Bewerbern, sich Antworten hinsichtlich der Motivation für die neue Stelle, Ausbildung, relevante Berufserfolge und Herausforderungen sowie Ziele zurechtzulegen. "Es ist von Vorteil, wenn die Kandidaten die wichtigsten Aspekte kurz und prägnant formulieren können. Zu einer guten Vorbereitung gehört auch das Einholen von Informationen über die Firma und das Formulieren von eigenen Fragen." Entspricht zudem die Kleidung dem Dresscode, kommt der Kandidat pünktlich und tritt sympathisch auf, kann nicht mehr viel schief gehen.
(Jürgen Mauerer)